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„Mannheimer Übermorgen“ – Rechtspopulistische Hetze gegen Muslime und eine Lokalzeitung

[1]In der Nacht vom 08. auf den 09.06.2012 verteilten Mitglieder der rechtspopulistischen Partei „Die Freiheit“ die vierseitige rassistische Zeitung „Mannheimer Übermorgen“ in Mannheim und Umgebung. Nach Angaben der Rechtspopulist_innen wurden 50.000 Exemplare in ausgewählten Stadtteilen in die Briefkästen geworfen. Unterstützung erhielten die hiesigen Mitglieder der „Freiheit“ dabei von Parteimitgliedern aus dem gesamten Bundesgebiet. Der „Mannheimer Übermorgen“ hetzt gezielt gegen Menschen muslimischen Glaubens und die Lokalzeitung „Mannheimer Morgen“.

Über Nacht den Übermorgen

Das Blatt setzt sich nach eigener Angabe satirisch mit aktuellen politischen Themen auseinander. Dabei verdeutlicht es die rassistischen Ansichten der Autor_innen. In Anlehnung an die Tageszeitung „Mannheimer Morgen“ heißt die Veröffentlichung „Mannheimer Übermorgen“ und datiert sich auf das Jahr 2032. Der „Mannheimer Morgen“ wurde dabei nicht nur ausgewählt, weil es sich um die bedeutendste Tageszeitung in Mannheim handelt, sondern auch weil die Berichterstattung über ihre Aktivitäten den Rechtspopulist_innen schon länger ein Dorn im Auge ist. Pöbeleien gegen unliebsame Journalist_innen sind auf entsprechenden Internetseiten alltäglich, so wurde etwa ein Mitglied der Lokalredaktion als „Lohnschreiber“ beschimpft.

Die Themen Islam und EU-Politik werden in der Veröffentlichung in zehn kurzen Artikeln berührt. Verantwortlich für Umsetzung und Inhalt der Zeitung ist der Landesverband Baden-Württemberg der Partei „Die Freiheit“. Sie bezeichnet sich selbst als „Bürgerrechtspartei für mehr Freiheit und Demokratie“. Sie ist bis heute noch bei keinen Wahlen in Baden-Württemberg angetreten, in Mannheim machte sie jedoch durch verschiedene Aktionen bereits auf sich aufmerksam, zum Beispiel bei einer „Unterstützungs“-Kundgebung für Thilo Sarrazin vor dem Rosengarten am 30.06.2011. Die Partei wird in Medien und Wissenschaft als rechtspopulistisch bezeichnet. Sie bedient sich populistischer Mittel, um rechtsradikale Ideologeme, wie Rassismus – im besonderen anti-islamischen Rassismus – zu transportieren. Der „Mannheimer Übermorgen“ ist die bisher größte öffentlichkeitswirksame Aktion der Partei in unserer Region.

Kulturalisierter Rassismus

„Die Freiheit“ bewegt sich ideologisch im Rahmen der so genannten Neuen Rechten. Vertreter_innen dieser Ideologie stehen für einen Rassismus im neuen Gewand. In Abgrenzung zum Rassismus der traditionellen Rechten wird keine Hierarchie verschiedener Rassen oder Völker propagiert, sondern ein „Recht auf Differenz“ verschiedener Kulturen (nach dem französischen Vordenker der Neuen Rechten Alain de Benoist) eingefordert. Eine Kultur ist dabei eine klar abzugrenzende, homogene Einheit. Nach diesem Prinzip müssen die Werte der eigenen Kultur gegenüber der wahrgenommenen drohenden Überfremdung durch eine andere Kultur geschützt werden. Diese Überfremdung droht nach Meinung der Rechtspopulist_innen vor allem durch „den Islam“, der durch die Politik des Multikulturalismus ungehindert Einzug in westliche Gesellschaften erhalten würde. In der Logik der Neuen Rechten wird somit einerseits „ein Islam“ konstruiert, jegliche Differenzen also verleugnet. Ferner wird er als eine politische Ideologie und nicht als Religion betrachtet. Andererseits wird dieser „Islam“ mit einem Fundamentalismus gleichgesetzt. Stereotype Bilder, wie der junge, gewalttätige Mann oder die verschleierte Frau, bestimmen dieses Bild „des Islam“.

Durch Einwanderung von MuslimAs würde daher die Mehrheitskultur abgewertet. Sie wird zum Opfer der Zuwanderer erklärt. Diejenigen, die den Multikulturalismus vertreten, nehmen nach dieser Logik die Zerstörung der nationalen und kulturellen Identität der Mehrheitsgesellschaft bewusst in Kauf und sind hierfür verantwortlich zu machen. Wozu eine solche Ideologie führt, kann man an der gezielten Ermordung sozialdemokratischer Jugendlicher durch Anders Behring Breivik letztes Jahr in Norwegen sehen. Der kulturelle Rassismus der neuen Rechten war die ideologische Grundlage seiner Taten. Aber auch deutschen Rechtspopulist_innen ist die Vorstellung, mit denen abrechnen zu wollen die „das deutsche Volk unterdrücken“ nicht fremd. Schlägertrupps gegen Einwanderer nach dem Vorbild der „English Defence League“ bis hin zu Bürgerkriegsszenarien und Waffenfetisch bestimmen die Diskussionen rechtspopulistischer Blogs und Internetforen.

Organisationen, Strukturen, Webseiten

Exemplarisch kann hier auch das Internetprojekt „Nürnberg 2.0“ genannt werden, bei dem mehr oder weniger bekannte Personen öffentlich „angeklagt“ werden. Es werden Informationen über unliebsame Journalist_innen, Wissenschaftler_innen und Politiker_innen gesammelt, damit man sie in Zukunft nach dem Vorbild der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse anklagen kann. Auch Personen aus Mannheim und Ludwigshafen sind bei „Nürnberg 2.0“ zu finden.

Wie bei „Nürnberg 2.0“ gibt es auch beim Blog „PI News“ keine offiziell verantwortliche Person. „PI News“ ist der wichtigste deutschsprachige Hetzblog. In Mannheim gibt es die PI-Gruppe Rhein-Neckar, eine Art regionale Unterstützergruppe des Blogs. Der Student Emil Kahlmann meldete für die PI-Gruppe am 08.10.2011 eine Kundgebung „Nein zur Islamisierung“ mit Unterstützung der sogenannten „Bürgerbewegung Pax Europa“ und Mitgliedern der „Freiheit“ an.

„Die Freiheit“ ist formal nicht für „PI News“ oder „Nürnberg 2.0“ verantwortlich, doch inhaltlich ergänzen und unterstützen sich die verschiedenen Organisationen und Internetseiten, die letztlich die selbe Anhängerschaft haben. Sie alle versuchen sich als „Beschützerin der freiheitlich demokratischen Grundordnung“ in Szene zu setzen und dadurch ihren anti-islamischen Kurs zu legitimieren. Die von ihnen propagierten rassistischen Stereotype entlarven jedoch ihre antidemokratische Ideologie und zeigen, dass es um die Menschenrechte bei der „Freiheit“ nicht gut bestellt ist.

Entlang dieser inhaltlichen Linien bewegt sich auch der „Mannheimer Übermorgen“. Die vermeintliche Zurückdrängung christlich-abendländischer Kultur wird in verschiedenen Artikeln thematisiert. Sei es, dass der Papst den Vatikan verlässt, die Mona Lisa verschleiert wird oder die deutsche Minderheit in die türkische Gesellschaft Mannheims integriert werden soll. All dies steht für die Wahrnehmung, dass die „westliche Kultur“ der ungehinderten „Islamisierung“ zum Opfer falle. Ob Zensur oder Gewalt gegen Frauen; der Mannheimer Übermorgen bedient sich rassistischer Klischees, um eine Stimmung der Bedrohung der westlichen Kultur durch den Islam zu kreieren.

„Die Freiheit“ in Baden-Württemberg

Obwohl die Angaben zum V.i.S.d.P im „Mannheimer Übermorgen“ auf den Parteivorsitzenden und -gründer René Stadtkewitz verweisen, liegt die eigentliche Verantwortung der Planung und Durchführung beim hiesigen Landesvorstand. Dieser besteht derzeit aus 15 Personen. Nachdem der alte Landesvorstand am 28.01.2011 nach einem Streit um ein rassistisches Thesenpapier des damaligen bayrischen Landesvorsitzenden Michael Stürzenberger zurückgetreten war, wurde der neue Vorstand am 11.02.2012 auf dem Landesparteitag gewählt.

Organisiert wurde der damalige Parteitag von Diplom-Physiker Hans-Erich Kraft. Dessen Firma „Science Data Software“ befindet sich an seinem Wohnort in Hirschberg. Kraft wurde zum stellvertretenden Landesvorsitzenden gewählt. Bereits zuvor fungierte er als Ansprechpartner für den Bundesvorstand und Bezirkskoordinator für Nordbaden. Krafts Standpunkte erinnern schnell an die Ideologie der Neuen Rechten. In einem Artikel vom 09.05.2012 auf der Internetseite des Landesverbands wird aus dem Salafismus direkt der gesamte Islam, der somit „nicht friedlich“ sein könne. Diese Gleichsetzung von „Islam“ und Fundamentalismus kennzeichnet rechtspopulistisches Denken.

Neuer Landesvorsitzender wurde Edgar Baumeister aus Mannheim-Rheinau, der in Heidelberg die Firma „Baumeister Finanzberatung“ betreibt. Er gilt in der Partei als Hardliner.

Michael Hug wurde als weiterer stellvertretender Landesvorsitzender gewählt. Exemplarisch für sein Weltbild sind seine Beiträge auf der Internetpräsenz des Landesverbandes. Hier schwadroniert er, wie in einem Beitrag vom 31. Mai, von „unkontrollierte[r] Masseneinwanderung“, die zum „Zusammenbruch unsere[r] Sozialsysteme“ führt. Beliebtes Feindbild sind gewalttätige muslimische Jugendliche, die jedoch von der deutschen „Kuscheljustiz“ keine Konsequenzen zu erwarten hätten. Damit reiht sich „Die Freiheit“ in den für Rechtspopulisten typischen Ruf nach einer härteren law-and-order Politik ein.

Schriftführerin wurde Hella Krautter aus Rottweil, Kassenwart ist Manfred Wehder aus Ketsch.

Weitere Informationen zur Partei „Die Freiheit“ in Baden-Württemberg gibt es auch in einem Communique der Autonomen Antifa Freiburg: http://autonome-antifa.org/spip.php?page=antifa&id_article=243 [2]

Rechtspopulismus stoppen!

Wir fordern die Mannheimer Öffentlichkeit auf, sich verstärkt dem Thema Rechspopulismus zu stellen. Die bei vielen noch unbekannten Organisationen und Funktionäre müssen ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt werden. Während den Propagandaaktionen der Nazis von NPD und Kameradschaften deutlich und laut widersprochen wird, üben viele beim Thema Rechtspopulismus und Islamfeindlichkeit Zurückhaltung, meist aufgrund von mangelhaftem Wissen über deren Strukturen und Ideologien.

Der bürgerliche Rassismus der Neuen Rechten ist ungebrochen anschlussfähig und hat das Potential Wahlerfolge zu erzielen und das Zusammenleben der Menschen zu vergiften. Das wollen wir ändern. Die Erfolge der rechtspopulistischen und nationalistischen Organisationen in den Niederlanden, Schweden, Dänemark, Österreich oder Ungarn und nicht zuletzt die Anschläge von Anders Breivik in Norwegen sollten uns Warnung genug sein.

AK Antifa Mannheim, 9. Juni 2012