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Aufruf zur Demo in Ludwigshafen „Nazis in die Defensive drängen – Die Autoritäre Formierung angreifen“ (kurz)

 

Die Nazis in die Defensive drängen – die Autoritäre Formierung angreifen!

Aufruf des Ak Antifa vom Frühjahr 2006

22. Juli 2005: Eine Gruppe Naziskins überfällt auf der Konrad Adenauer Brücke zwei junge Männer, die sie als „fremd“ identifizieren. Einer der beiden wird bei dem rassistisch motivierten Angriff so schwer verletzt, daß er einen Schädelbasisbruch und Hirnblutungen erleidet. Er kommt nur um ein Haar mit dem Leben davon, liegt mehrere Wochen im Krankenhaus und wird den Rest seines Lebens an den Folgen zu leiden haben. Auch sein Begleiter, der ihm zu Hilfe kommen möchte wird mit einer Gürtelschnalle verprügelt. Ob brutale Straßenschläger, Führungsfiguren des internationalen Rechtsrock-Netzwerkes „Hammerskins“ oder elitäre Kader der regionalen Kameradschaften: Einige der wichtigsten Nazi-Kader aus der Rhein-Neckar Region wohnen in Ludwigshafen, ebenso wie zahllose Straßenschläger-Nazis. Sie alle fühlen sich hier sicher vor antifaschistischen Interventionen
– das werden wir am 11 März gemeinsam mit euch ändern!

Die regionale Naziszene läßt sich aber nicht für sich genommen bekämpfen. Sie ist Teil einer gesellschaftlichen Entwicklung, die seit Jahren eine umfassenden Entwicklung der Entrechtung und Verblendung schafft. Ökonomische Prekarisierung, die Mobilisierung autoritärer Einstellungen in der Bevölkerung und der Ausbau eines autoritären Sicherheits- und Überwachungsstaates ergeben eine gesellschaftliche Entwicklung, in der die Möglichkeiten zum selbstständigen Gestalten des eigenen Lebens immer geringer werden. Die Naziszene ist im Verlauf und als Teil dieser Entwicklung massiv angewachsen, und sie wächst weiter. Sie muß demnach auch als ein Teil dieser autoritären Formierung bekämpft werden. Gleichzeitig ist spätestens seit Gerhard Schröders Staatsantifa des Sommer 2000 das Engament gegen Nazis kein Monopol der radikalen Linken mehr. Ganz im Gegenteil, die offensive Abgrenzung von offen Nazistischem Gedankengut und der Geschichte des Nationalsozialismus ist seit Schröder/Fischer ein zentraler Teil des Selbstverständnisses der „Berliner Republik“ geworden. Antifaschistische Politik die nicht nur antifaschistisch, sondern auch emanzipatorisch und revolutionär sein möchte, muss sich seither noch intensiver mit den gesellschaftlichen Bedingungen und Grundlagen des Erstarkens der bundesdeutschen Naziszene auseinandersetzen. Tut sie dies nicht, und betreibt einen reinen Anti-Nazi Kampf, so läuft sie Gefahr Teil des selben hegemonialen ideologischen Projekts zu werden, das die Existenz der Nazis erst möglich macht. In diesem Moment beginnt sie sich ad absurdum zu führen und ihrem Projekt umfassender sozialer Emanzipation entgegenzuarbeiten.

Die Naziszene, so wie sie sich heute darstellt ist ein Produkt all dieser oben angesprochenen Entwicklungen. Angefangen mit ihrem massiven Anwachsen durch den Nationalismusboom der Wiedervereinigung und die erfolgreich geschürte Nationalismuswelle, über die Übernahme bürgerlicher Feindbilder bis zum weiteren Wachstum in den Neunzigern. Ebenso die Herausbildung der „freien“ Strukturen als Folge der Verbote von Mitte der neunziger Jahre und in deren Folge die kulturelle, strukturelle und politische Differenzierung der Szene. Das Vorhandensein neonazistischer Diskurse in wesentlich vielfältigeren Formen als noch vor wenigen Jahren gehört für uns zu den gefährlichsten Entwicklungen der nazistischen Szene. Wenn unter Jugendlichen die Stigmatisierung nazistischer Kultur bröckelt, wenn Landser ebenso bekannt ist wie die Musik aus den Charts, wenn Nazis nicht mehr nur häßliche Skinheads, sind sondern schicke Popper sind, dann bröckelt hier ansatzweise die Tabuisierung des NS in der jungen Generation. Die NS-Szene bildet die Restgesellschaft nicht einfach ab, sie übernimmt und überspitzt einige ihrer Diskurse, ebenso wie es ihr gelingt manche ihrer Diskurse in die Restgesellschaft zu tragen. Beide stehen in einem Verhältnis wechselseitiger Spannung, ebenso wie großer Nähe. Sie beeinflussen sich gegenseitig, und gemeinsam schaffen sie die Entwicklung fortschreitender Entrechtung und Verblendung, die wir Autoritäre Formierung nennen.

Der blutige Straßenterror der Nazis ist dabei nur einer der plakativeren Ausdrücke dieser Entwicklung. Der Kampf gegen ihn kann für uns nicht allein stehen. Seit der Integration des NS-Tabus in den Nationalismus der „Berliner Republik“, muss der Kampf gegen Nazis noch mehr als zuvor ein Kampf gegen ihre gesellschaftlichen Grundlagen sein. Er kann letztendes nur erfolgreich sein wenn wir unser Projekt umfassender gesellschaftlicher Emanzipation verwirklichen und nazistischem Gedankengut so seine Grundlage entziehen. Eine „wirkliche Bewegung, die die Aufhebung des jetzigen Zustandes schafft“ ist für uns aber nicht allein deshalb erstrebenswert, weil sie Mittel im Kampf gegen die Nazis ist, ganz im Gegenteil. Der Kampf gegen Nazis ist auch ein Mittel in Kampf um ein „Ende der Vorgeschichte der Menschheit“ und für einen „Verein freier Menschen“.

Der Kampf gegen den sich beständig verschärfenden Wahnsinn des Verwertungs- und Akkumulationsregimes und der Kampf gegen den Straßenterror der Nazis gehören für uns untrennbar zusammen. Dem „falschen Ganzen“ stellen wir ein radikales Begehren nach einer emanzipierten Gesellschaft entgegen. In der momentanen Situation muss unser Kampf bei den Nazis anfangen, er muss aber von Anfang an darauf bedacht sein nicht dabei stehen zu bleiben. Gemeinsam an Stärke gewinnen, zu den Subjekten der Geschichte werden, kollektive politische Partizipation und ökonomische Aneignung gegen Entrechtung und Verblendung durchsetzten heisst unsere Agenda langfristig. Weil sich die autoritäre Formierung nicht ohne einen Ansatzpunkt angreifen läßt, und weil sich das Naziproblem in Ludwigshafen nicht isoliert bekämpfen läßt:

Die Nazis in die Defensive drängen – die Autoritäre Formierung angreifen!