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Gegen jeden Geschichtsrevisionismus in Pforzheim und anderswo!

Gemeinsam kämpfen gegen Nazis und Repression! [1]

Kundgebung und Demonstration am 23.02.08 in Pforzheim

Aufruf des Antifaschistischen Aktionsbündnis Baden-Württemberg (AABW)

Am 23.02.2008 wird der faschistische „Freundeskreis ein Herz für Deutschland“ (FHD) wieder mal versuchen seine jährlichen Aktivitäten zum Gedenken an die Opfer alliierter Luftangriffe auf den Rüstungsstandort Pforzheim durchzuführen. Seit 2002 mobilisieren antifaschistische Gruppen gegen die Naziaktivitäten in Pforzheim. Stadtverwaltung und Polizei hingegen haben sich in den letzten Jahren bereitwillig zum Helfershelfer der Nazis gemacht und AntifaschistInnen mit Repressalien überzogen. Ab diesem Jahr soll das anders werden. Wir wollen uns daran machen, dem faschistischen Treiben ein Ende zu bereiten, dem rechten Mainstream in Pforzheim entgegen zu wirken und linke Strukturen vor Ort zu stärken.

Die Nazis…

In Pforzheim gibt es eine lange Kontinuität faschistischer Gewalt und Propaganda. Von rassistischen Hetzblättern, gewalttätigen Übergriffen bis zu Brandanschlägen war bereits alles dabei. Hierzu trägt insbesondere der FHD maßgeblich bei. Nach außen hin bemüht sich der FHD ein Saubermann-Image zu pflegen und gibt sich betont legalistisch. Tatsächlich handelt es sich jedoch um eine extrem rechte Gruppierung, die sich auf den Nationalsozialismus bezieht.Das belegen auch zahlreiche Kontakte und Überschneidungen mit anderen neonazistischen Gruppierungen, wie beispielsweise zur NPD oder dem Kameradschaftsspektrum. Ziel des FHD ist es, die verschiedene Strömungen der extremen Rechten unter seinem Dach zusammenbringen.

Am 23.02.1945 wurde Pforzheim von Luftstreitkräften der Anti-Hitler-Koalition bombardiert. Mit seiner alljährlichen Kundgebung am Tag der Bombardierung will der FHD eigenem Bekunden zufolge an die „unschuldigen Opfer alliierter Kriegsverbrechen“ erinnern. Damit zielen die Nazis darauf ab, die Geschichte so umzudeuten, dass Deutschland als Opfer alliierter Aggressionen erscheint. Täter sollen zu Opfern werden. Der millionenfache Mord an den europäischen JüdInnen, die Überfälle Nazideutschlands auf andere Staaten und die Tatsache, dass ein Großteil der deutschen Bevölkerung lange Zeit von der Ausplünderung der Nachbarländer profitierte, wird verschwiegen. Die Nazis stricken an einem Opfermythos, um so die Zerschlagung Nazideutschlands zu delegitimieren und den von Deutschland ausgehenden Krieg in eine gerechte Verteidigung umzulügen. Dies ermöglicht den Nazis, sich indirekt positiv auf den Nationalsozialismus zu beziehen und ihn wieder gesellschaftsfähig zu machen.

Die Mahnwache des FHD in Pforzheim stellt für die Naziszene in der ganzen Region ein wichtiges, jährlich stattfindendes Ereignis dar. Events wie dieser sind für die Nazis das lokale Gegenstück zu nationalsozialistischen Großaufmärschen wie in Dresden oder Wunsiedel. Es sind gerade geschichtspolitische Themen, die es schaffen, die oftmals zersplitterte Naziszene zu einen, um generationsübergreifend den deutschen TäterInnen zu gedenken.

Nachts sind alle Katzen grau? — Der Umgang der Stadt Pforzheim mit der Nazimahnwache und antifaschistischen Protesten

Der Umgang der Stadt Pforzheim mit extrem rechten Akteuren einerseits und AntifaschistInnen andererseits, steht exemplarisch für die Vorgehensweise vieler Städte in Baden Württemberg und im gesamten Bundesgebiet. Die Stadtoberen setzen in totalitarismustheoretischer Manier engagierte Antifaschistinnen und Neonazis gleich. Begründet wird dies schlichtweg damit, dass beide angeblich gleichermaßen antidemokratisch seien. Nach vorgenommener Einebnung grundsätzlicher Unterschiede lässt sich das ganze wunderbar als ordnungspolitisches Problem abtun und weitgehend entpolitisieren. Hier wird nicht nach Inhalt unterschieden, sondern nach Form. So ist es auch nur folgerichtig, dass niemand daran Anstoß nimmt, wenn Neonazis Geschichtsverdrehung betreiben und ihre rassistische Propaganda verbreiten, sofern sie dies nur ordnungsgemäß anmelden. Die Polizei erledigt das Übrige und stellt sich schützend vor die Nazis, um den reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Dass die Ideologie der Nazis, ganz gleich wie gesetzestreu sie artikuliert wird, auch immer implizit eine gewalttätige bleibt und Grund für millionenfachen Mord war, spielt keine Rolle. Dementsprechend ist man in Pforzheim auch zufrieden, wenn die Nazis ihre Kundgebung im legalen Rahmen, ab vom Schuss auf dem Wartberg, und ohne größere Öffentlichkeit durchführen. Nicht die Nazis, sondern AntifaschistInnen, die gegen diese vorgehen, die städtische Toleranz für Faschisten offenlegen und somit die weiße Weste der braunen Stadt beschmutzen, werden als das eigentliche Problem identifiziert. Während sich die Polizei Jahr für Jahr schützend vor die Nazis stellt, wird mit allerlei Schikanen gegen Antifas vorgegangen. Mit Prügeleinsätzen, Verboten von linken Konzerten und Veranstaltungen sowie mit Hetzartikeln in der lokalen Zeitung wird ein Klima geschaffen, in dem sich Nazis sicher fühlen und weitgehend ungestört agieren können.

Für uns ist klar: Wo Nazis ihre Hetze legal verbreiten können und sich die Stadtoberen schützend vor sie stellen, werden wir uns bestimmt nicht vorschreiben lassen, wie wir sie zu bekämpfen haben!

Gedenkpolitik im Kontext: Deutschland, du Opfer!

Das Jahr 2005 wurde zum „Super-Gedenkjahr“ schlechthin. 60 Jahre nach Kriegsende präsentierte sich Deutschland als eine Nation, die ihre Lehren aus den Schrecken des Nationalsozialismus gezogen habe. Die Übernahme der Regierungsgeschäfte 1998 durch Rot-Grün leitete ein Umschwenken in der Gedenkpolitik ein. Während der Ära Kohl wurde noch versucht, die Vergangenheit weitgehend unter den Tisch fallen zu lassen. Man setzte auf eine direkte Versöhnung mit der Geschichte und behandelte die Naziherrschaft als eine Art Betriebsunfall. Rot-Grün hingegen inszenierte Deutschland von Anfang an als geläuterte, vermeintlich antifaschistische Nation. Ritualisiert und formelhaft wird seitdem bei jeder sich bietenden Gelegenheit betont, dass aus der Geschichte gelernt wurde und historische Verantwortung angenommen wird. Das Schuldanerkenntnis der alten 68er verkommt allerdings spätestens dann zur Farce, wenn im nächsten Satz betont wird, dass die Zivilbevölkerung ja überall gelitten hätte und die Zustimmung großer Teile der Bevölkerung zum Nazi-Regime verschwiegen wird. So verschwinden Ursachen hinter den Auswirkungen. Leid, dass es ja überall gegeben habe, fungiert als das Bindemittel in der Konstruktion des Zweiten Weltkriegs als europäischem Konflikt, der Unglück über alle gleichermaßen gebracht habe. So wird es auch möglich wie in Dresden offensiv der eigenen Opfer zu Gedenken. Der ideologische Wechsel des neuen Deutschlands vollzog sich symbolisch mit Schröders Teilnahme an den D-Day-Feierlichkeiten in der Normandie. Faktisch setzt diese Art des gleichberechtigten Gedenkens den mordenden, plündernden Wehrmachtssoldaten und die SympathisantInnen der Nazis, mit deren Opfern und jenen, die aktiv Widerstand geleistet haben, gleich.

Der Geschichtsrevisionismus der gesellschaftlichen Mitte hat einen offensiven Nationalismus wieder salonfähig gemacht. Der Bezug auf die deutsche Nation wirkt nach innen als konsensstiftendes, ideologisches Bindemittel, das reale Klassengegensätze verdeckt und so den Widerstand z.B. gegen den Abbau sozialer Leistungen eindämmt. Nach außen ermöglicht er der BRD, zunehmend aggressiver eigene außenpolitische Interessen zu vertreten und wieder unbelastet am zwischenstaatlichen Hauen und Stechen um globalen Einfluss teilzunehmen.

Durch die weitgehende Tabuisierung der Positionen der Nazis im öffentlichen Diskurs stellen deren geschichtspolitische Positionen keine politische Option dar. Obwohl es ihnen gelungen ist, mit der Rede vom „Bombenholocaust“ im Dresdner Landtag und ihrem Aufmarsch-Versuch durch das Brandenburger Tor am 8. Mai Schlagzeilen zu machen, wirken sie im Vergleich zum aktuellen bürgerlichen Diskurs geradezu verstaubt – im besten Sinne ewiggestrig. Deshalb gilt es für die radikale Linke, nicht nur die Nazis, sondern den wesentlich bedeutsameren Diskurs der gesellschaftlichen Mitte anzugreifen. Dazu bietet sich auch am 23. Februar in Pforzheim Gelegenheit.

2005 veranstaltete die Stadt eine Lichterkette zum Gedenken an die Bombardierung, an der sich über 5.000 Menschen beteiligten. Weder hier noch bei den Gedenkveranstaltungen in den Folgejahren wurden die militärischen Gründe für die Bombardierung – wie beispielsweise die ansässige Rüstungsindustrie Pforzheims – thematisiert. In Pforzheim kennt man keine Nazi-Täter, sondern nur Opfer. Besonders makaber ist der Versuch, Pforzheim in eine Linie mit der baskischen Guernica zu setzen, die Partnerstadt Pforzheims ist und von der Legion Condor der deutschen Luftwaffe nahezu komplett ausradiert wurde.

Und Action…

Von 1994 bis 2002 führte der FHD seine Mahnwache ungestört durch. 2002 mobilisierten AntifaschistInnen erstmalig dagegen und konnten sie auch prompt verhindern. Seitdem wurde anlässlich der Nazimahnwache stets für trouble gesorgt und Nazis, Bullen und der Stadtverwaltung konnten – trotz aller Repression – einige Niederlagen beschert werden.

In diesem Jahr, wollen wir an die bisherige Erfahrungen und Erfolge anknüpfen und umso konsequenter gegen die dortigen reaktionären Tendenzen vorgehen. Nicht weil Pforzheim eine Ausnahme darstellt, sondern weil am Beispiel Pforzheims überdeutlich wird, womit sich Antifaschistinnen nur allzu oft herumzuschlagen haben. Polizeischutz für Nazis und Repression gegen aktive Linke sind zwei Seiten derselben Medaille. Deshalb muss es für uns einerseits konkret darum gehen, neben einer Schwächung der Naziszene auf eine Stärkung antifaschistischer und linker Strukturen hinzuarbeiten, um vor Ort langfristig das Zusammenspiel von Nazis, Bullen und etablierter Politik sabotieren zu können. Und andererseits geht es beim Beispiel Pforzheims darum, symbolisch totalitaristische Deutungsmuster, die Verdrehung der Geschichte und allgemeine Repression gegen Linke thematisieren und anzugreifen.

Gemeinsam kämpfen gegen Nazis, Repression und Geschichtsrevisionismus!