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Reclaim your everyday life – Sexismus bekämpfen!

Schneewittchen [1]Ob „Witze“ über das andere Geschlecht, sexistische Anmachen, ungewollte Berührungen oder Sprüche an Wänden und Tischen: Sexismus begegnet uns im Alltag auf vielfältige Art und Weise. Diesen regelmäßigen, kleineren und größeren Grenzüberschreitungen wollen wir mit unseren Veranstaltungen und Aktionen etwas entgegensetzen. Ziel soll es sein, die bestehenden heteronormativen Zustände zu reflektieren, zum Gegenstand unserer Kritik zu machen und durch Interventionen zumindest im Kleinen ins Wanken zu bringen.

Unerträgliche   Normalitäten

Mit dem Begriff „Sexismus“ bezeichnen wir jede Handlung und jede Äußerung, die persönliche Grenzen verletzt und die eine Person oder eine Personengruppe aufgrund ihrer (vermeintlichen) Geschlechtsidentität oder ihrer Sexualität be­wertet. Anzügliche und abwertende Be­merkungen über Aussehen, Figur oder Kleidung; unerwünschte Körperkontakte; Vergewaltigung­en: All diese Abscheulichkeiten passieren täglich und das ist kein Zufall. Wer sich über die Grenzen anderer hinweg setzt und den Willen und die Würde seines Gegenübers nicht respektiert, zieht seine »Überlegenheit« aus der Demütigung. Wer andere klein macht, will sich selber dadurch groß fühlen. Die größte Zahl der Übergriffe richtet sich gegen Frauen, aber natürlich sind sie nicht die Einzigen. Menschen, deren Sexualität von der Norm abweicht, Trans- und Intersexuelle und auch Männer werden Opfer von sexistischen Grenzverletzungen und sexualisierter Gewalt.

Sexismus  im  Alltag

Sexistisches Verhalten begegnet uns im Alltag als Reproduktion stereotyper und sexistischer Darstellungen der Kategorie „Geschlecht“. Von diesem Verhalten Betroffene werden nicht mehr als Individuen wahrgenommen, sondern den Kategorien „Mann“ oder „Frau“ zugewiesen, verbunden mit klaren Forderungen, wie sie sich dann in der jeweiligen Kategorie zu verhalten haben beziehungsweise was sie ertragen müssen. Dabei werden tagtäglich Grenzen überschritten, die oft unreflektiert bleiben und banalisiert werden. Wer hingegen sexistisches Verhalten kritisiert erntet nicht selten den Vorwurf, alles zu Ernst zu sehen und keinen Spaß zu verstehen.

Dieser sexistische Alltag ist dabei ein Ausdruck der strukturellen Trennung und Hierarchisierung der Geschlechter, die auf verschiedensten Ebenen und sehr komplex wirkt. Sie dient auch dazu, die vorhandenen Macht- und Hierarchiestrukturen im Kapitalismus aufrecht­zu­erhalten. Als wesentliches Merkmal der heutigen patriarchalen Gesellschaftsordnung ist in diesem Zuge die Trennung von Produktions- und Reproduktionsbereichen zu nennen, aus der sich charakteristische Rollenerwartungen und Zuweisungen an die Geschlechter er­geben.Traditionell wird der Mann dem produktiven und die Frau dem reproduktiven Bereich zugeordnet. Mit dieser Einteilung gehen auch geläufige Merkmalskategorien des aktiven, dominanten Mannes und der passiven, ein­fühlsamen Frau einher. Auch wenn sich mittlerweile Verschiebungen innerhalb dieser Geschlechtszuweisung ergeben haben, kam es nie zu einer endgültigen Auflösung der traditionellen Einteilung. Denn obwohl sich mit der Zeit der Bereich der Produktion auch für die Frau geöffnet hat, ist sie letztendlich immer noch hauptverantwortlich für den Reproduktions­bereich.

Sex sells – but we won’t buy this shit

Auch Werbung bezieht sich in ihrer Darstellung von „Frau“ und „Mann“ auf die Trennung und Hierachisierung der bestehenden Geschlechter­kategorien. Weiterhin beeinflusst Werbung, als Bestandteil unseres Alltages, bewusst oder unbewusst unsere Wahrnehmung von be­stimmten Geschlechterbildern und konstruiert somit eine scheinbare Wirklichkeit, die als natürlich angesehen wird. Das typische Grundmuster der Werbung verfolgt im Umgang mit Frauen folgendes Prinzip: Die Frau wird gleichgesetzt mit Sex und dem Produkt. Dies hat einerseits zur Folge, dass die Frau ihrer Subjektivität beraubt und auf ihre bloße Körperlichkeit reduziert wird. Andererseits wird sie durch die Gleichstellung mit dem Produkt wie ein Konsumartikel behandelt, der Schönheit und Jugendlichkeit repräsentieren soll. Werbung vermittelt das Bild von einer Frau, deren Fähigkeiten und Vorlieben sich darauf be­schränken, sich um Haushalt und Kinder zu kümmern und für das Wohlergehen des Mannes zu sorgen.

Ebenso werden Männlichkeitsbilder konstruiert. In der Werbung gehen Männer körperlicher Arbeit nach, trinken Bier, fahren schnelle Autos und freuen sich über Frauen, die die gängigen Rollenbilder durch ihr Aussehen und Handeln erfüllen. Ein häufig verwendetes Motiv ist zum Beispiel, dass das beworbene Produkt den Mann besonders männlich und damit für Frauen attraktiv macht. Zwischenmenschliche Be­ziehung­en werden dabei auf „mechanische“ Vorgänge reduziert in denen das Produkt den Mann besonders stark, erfolgreich, überlegen und emotional unbeteiligt macht. Dies führt dann automatisch dazu, dass der Mann von Frauen umschwärmt wird. Wer diese Eigenschaften nicht aufweisen kann, hat keinen Erfolg bei Frauen, ist seiner Männlichkeit beraubt und ein „Weichei“ oder Verlierer und sollte schleunigst das beworbene Produkt kaufen.

All das zeigt, dass Werbung weitaus mehr ist, als nur eine reine Darstellungsform von Produkten. Sie bedient sich vorhandener Rollenbilder und gestaltet gesellschaftliche Realität aktiv mit. Dabei dient sie in der heutigen Gesellschaft als ein wesentliches Reproduktionsmittel von Geschlechter­ver­hältnissen und Hierarchien.

Heilige Scheiße…

Betrachtet man die alltägliche Reproduktion heteronormativer Vorstellungen und sexistischer Stereotype fällt besonders ins Auge, dass es immer wieder Vertreter religiöser Gruppen sind, die ein solches Weltbild offen und un­missverständlich propagieren. Katholische Fa­natiker, die Homosexualität als Krankheit bezeichnen, die sie heilen wollen, Religiöse Eiferer, die Frauen, die sich so kleiden wie sie möchten, bespucken und beleidigen, oder die Konstruktion von gottgewollten Unterscheidung­en von Mann und Frau mit dazugehöriger Rollenzuweisung. Die Liste der Beispiele, in denen Religion versucht sexistische und heteronormative Zustände zu konstruieren und durchzusetzen ließe sich endlos fortsetzen. Die Vertreter aller Religionen können dabei auf eine Jahrhunderte lange Tradition zurückgreifen, in der die religiösen Institutionen Geschlechter­verhältnisse definiert, normiert und notfalls gewalttätig durchgesetzt haben. Zwar hat der Einfluss von Religion auf das heutige Selbstverständnis der Menschen zumindest in Europa einen weitaus geringeren Einfluss als im Mittelalter, die Vorstellungen von damals wirken aber auch heute noch in den Köpfen vieler Menschen fort, ob sie sich nun als religiös verstehen oder nicht.

Everyday Struggle

Diese Omnipräsenz von Sexismus löst schnell ein Gefühl der Ohnmacht aus. Doch mensch ist sexistischen Situationen und Zuständen nicht immer hilflos ausgeliefert. Vor allem alltägliche Sexismen können in einigen Situationen durch direkte Interventionen hinterfragt und ausge­hebelt werden. Beobachtet ihr beispielsweise in einem Club, wie mal wieder eine Gruppe Männer durch Pfeifen, gierige Blicke oder dumme „Anmachsprüche“ versuchen Frauen „rumzukriegen“, könnt ihr durch direkte Intervention einiges erreichen. Ihr zeigt der Betroffenen dieses sexualisierten Übergriffs, dass sie in ihrer Situation nicht alleine dasteht und verstanden wird. Dies ist hilfreich, da sexualisierte Übergriffe im Nachhinein häufig bagatellisiert werden. Sätze wie „Das gehört dazu“, „Das ist doch ganz normal“ oder „Das sind doch nur Komplimente“ sind Ausdruck des heterosexistischen Normalzustands und krei­eren eine Umwelt in der sich Frau mit solchen Übergriffen abfinden und nicht beschweren soll. Tut sie das trotzdem heißt es häufig: „Wer so einen kurzen Rock trägt, muss sich auch nicht wundern angemacht zu werden“. So wird die Schuld bei der Frau verortet und das sexualisierte Verhalten des Mannes als legitim und sogar nachvollziehbar dargestellt. Dabei sollte klar sein, dass mensch tragen kann was er/sie will. Kein Kleidungsstück gibt jemandem das Recht andere Menschen anzumachen oder zu demütigen.

Abstrakter formuliert schafft direktes Intervenieren, dort wo im alltäglichen Leben sexistisches Verhalten und Denken erkannt wird, Freiräume für Menschen, die sich nicht in den herrschenden Erwartungen an biologisches und gesellschaftliches Geschlecht bewegen oder von diesem negativ betroffen sind.

Deconstruct your everything

Doch nicht nur in solchen drastischen Situationen kann dem alltäglichen Sexismus begegnet werden. Schon das Hinterfragen des eigenen Verständnisses von Geschlecht, Geschlechterrollen oder Partnerschaft kann dazu führen sexistische Zustände ins Wanken zu bringen. Wenn der Beifahrer mal wieder – nach dem Motto „typisch Frau“ – darüber meckert, dass Frauen nicht einparken können, einfach mal hinterfragen was „typisch Frau“ eigentlich sein soll und vor allem wer definiert was „typisch“ und was „Frau“ überhaupt ist. Schnell wird deutlich, dass Geschlechterrollen, also die Erwartungen an „Mann“ und „Frau“, gesellschaftlich konstruiert und reproduziert werden. Weitergehend ließe sich fragen was „Mann“ und „Frau“ überhaupt heißen sollen; warum es nur diese zwei Kategorien gibt beziehungsweise warum es sie überhaupt gibt? Die Dekonstruktion gesellschaftlicher Geschlechterkategorien offenbart schnell grund­legende Zwänge und Herrschafts­verhältnisse. Diese sind Grundlage bestimmter Subjekt­positionen, entlang derer dann normative Anforderungen, wie Heterosexualität oder Einpassung in die Zweigeschlechtlichkeit, entwickelt werden.
Mit solchen normativen Anforderungen sehen sich insbesondere Menschen konfrontiert, deren Sexualität nicht der heterosexuellen Norm entspricht. Der Versuch ein selbstbestimmtes Leben zu führen kommt hier mit solchen Normalitätserwartungen in Konflikt. Homo­sexuelle, bisexuelle,transgender und inter­sexuelle Menschen, müssen alltäglich mit Diskriminierungen kämpfen. Diese äußern sich auf institutioneller Ebene (etwa in der privilegierten staatlichen Förderung der hetero-sexuellen Ehe), im Alltag durch Beleidigungen und Übergriffe, aber auch subtiler durch die ständige Konfrontation damit „unnormal“ zu sein und den eigenen Lebensentwurf rechtfertigen zu müssen.
Das kritische Hinterfragen alltäglicher Sexismen macht diese Herrschaftsverhältnisse erst  offensichtlich und angreifbar und kann sie punktuell aushebeln, führt aber letztendlich nicht zu ihrer Abschaffung. Außerdem ist klar, dass die alltägliche Intervention kein dauerhafter Zustand sein kann. Sich jeden Tag aufs Neue gegen heteronormative Zustände, homophobes Verhalten oder klassische Rollenbilder ver­teidigen zu müssen, kann nicht langfristiges Ziel feministischen Handelns sein. Zur Auflösung der Macht- und Herrschaftsverhältnisse, die Sexismen bedingen und produzieren, bedarf es einer Revolution des Verständnisses von Geschlecht und Geschlechterverhältnis.

Nebensächliche Hauptsache

Manche Menschen denken nun, dass mit der Auflösung der kapitalistischen Produktionsweise auch die Unterdrückung „der Frau“ ein Ende nähme. Dies mag auf der einen Seite stimmen, da der Kapitalismus die eindeutige Trennung und Hierarchisierung der Geschlechter zwar nicht alleine hervorbrachte, diese jedoch durchaus brauchbar gemacht hat. Dies äußert sich, wie oben beschrieben, am deutlichsten in der Trennung von Produktions- und Reproduktionssphäre. Das Ende kapitalistischer Zustände könnte dann ein Ende der Zuweisung von Frauen in die unbezahlte Reproduktions­arbeit bedeuten – ein Ende sexistischer Zustände wäre damit aber noch nicht erreicht.

Erst die Akzeptanz und Berücksichtigung der Vielheit unterschiedlicher Lebensweisen und nicht deren Reduktion auf die vermeintlich homogene Gruppe der „Frauen“ kann zu einer emanzipatorischen Perspektive auf Unter­drückungs­strukturen führen und muss daher Anspruch feministischen Denkens und Handelns sein. Neben der Vielfältigkeit der Lebensweisen, ist es weiterhin wichtig die unterschiedlichen Unterdrückungs- und Dominanzverhältnisse zu verstehen. Die Betrachtung der Unterdrückung darf nicht zur Analyse eines Nebenwiderspruchs werden, der durch die Auflösung ökonomischer Widersprüche ebenfalls sein Ende findet. Die Kreation der „Frau“, die ihre Position nur aufgrund kapitalistischer Produktions­verhältnisse einnimmt reicht hier nicht. Vielmehr erfordert die Vielfältigkeit der Lebensweisen die Analyse von Gleichzeitigkeit, Verwobenheit und Überlagerung von Unterdrückung und Dominanz. Eine alleinige Analyse aus kultureller Perspektive im Sinne zugeschriebener Ge­schlechterrollen reicht aber nicht aus. Eine materialistische Betrachtung muss weiterhin Teil einer feministischen Perspektive bleiben, denn Geschlechterverhältnisse müssen stets auch in Bezug zu ökonomischen Verhältnissen be­trachtet werden.

Für ein ganz anderes Ganzes

Letztendlich ist das Ziel eine Welt frei von Sexismus. Eine Welt in der die Selbstbestimmung und Emanzipation von Individuen ermöglicht wird. Erreichen können wir dieses Ziel über das stetige Anzweifeln heteronormativer Herrschaft und die Verunsicherung von Geschlechter-, Macht- und Herrschaftsverhältnissen. Begleitet werden muss dieser Prozess durch das alltägliche selbstreflektierende und selbstkritische Fragen nach Ausschlüssen und Unsichtbarem. Zumindest in einem kleinen Rahmen wollen wir mit unseren Veranstaltungen und Aktionen Räume eröffnen, in denen eine solche Kritik und Reflexion möglich wird. Wir laden euch dazu ein, mit uns zusammen über uns und die Zustände, in denen wir leben müssen, nachzudenken und gemeinsam unsere Kritik zu artikulieren.

Nieder mit den heteronormativen Zuständen!

Sexismus bekämpfen!

Her mit dem schönen Leben!