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Stellungnahme zum Boykottaufruf gegen eine Veranstaltung mit Stephan Grigat

[1]Im Folgenden dokumentieren wir eine Diskussion um die Veranstaltung des AK Antifa „Faschismus, Nationalsozialismus, Ummasozialismus – Zur Aktualität der negativen Aufhebung des Kapitals: Vortrag von Stephan Grigat“ am 16.03.2011

Inhalt:
Einladungstext zur Veranstaltung von Stephan Grigat [2]
Anonymer Boykottaufruf [3]
Stellungnahme des AK Antifa zum Boykottaufruf [4]

 

Einladungstext zur Veranstaltung von Stephan Grigat
Links zu indymedia: http://linksunten.indymedia.org/de/node/34776 [5]

Faschismus, Nationalsozialismus, Ummasozialismus – Zur Aktualität der negativen Aufhebung des Kapitals

Der Nationalsozialismus hat gezeigt, wie Erfolg versprechend die Mobilisierung einer antikapitalistischen Revolte zur Rettung des Kapitals sein kann. Zum Zwecke der Krisenlösung schwangen sich die Deutschen und ihre Hilfsvölker zu einer groß angelegten, von Ressentiment und Hass getriebenen, wahnhaften Verteidigung des vermeintlich Konkreten und Natürlichen vor dem Abstrakt-Künstlichen auf. Im Vernichtungsantisemitismus vollzog sich die negative Aufhebung des Kapitals – eine fetischistische Revolte gegen das Kapital auf seiner eigenen Grundlage.

Das sich in dieser konformistischen Revolte artikulierende regressiv-mordlüsterne Bedürfnis artikuliert sich heute unter anderem in jenem ressentimenthaften antiwestlichen Antikapitalismus, wie er keineswegs nur für islamische Djihadisten, Nazis und andere Antiimperialisten typisch ist. Eine der bedrohlichsten Erscheinungsformen eines Ummasozialismus, der sich sowohl in Anknüpfung als auch in Abgrenzung zum Nationalsozialismus als islamische Heilslehre gegen die Zumutungen der Moderne artikuliert, ist das iranische Regime, das mit umso größerer Bewunderung der heimischen Nazis rechnen kann, je deutlicher es sich für eine „Welt ohne Zionismus“ stark macht.

Stephan Grigat ist Lehrbeauftragter für Politikwissenschaft an der Uni Wien, Autor von Fetisch und Freiheit. Über die Rezeption der Marxschen Fetischkritik, die Emanzipation von Staat und Kapital und die Kritik des Antisemitismus (ça ira 2007), Herausgeber u.a. von Feindaufklärung und Reeducation. Kritische Theorie gegen Postnazismus und Islamismus (ça ira 2006) und Mitherausgeber u.a. von Iran im Weltsystem. Bündnisse des Regimes und Perspektiven der Freiheitsbewegung (Studienverlag 2010).

Cafe Filsbach
Begegnungsstätte Westliche Unterstadt e.V.
J6, 1-2
68159 Mannheim

 

Anonymer Boykottaufruf unter dem Pseudonym „Antirassistische Jugend aus der Region“
Link zu indymedia: http://linksunten.indymedia.org/de/node/35171 [6]

Keine Zusammenarbeit mit RassistInnen, RechtspopulistInnen und Konservative!

In den letzten Wochen wurde vom AK Antifa Mannheim eine Veranstaltung über Faschismus, Nationalsozialismus und Ummasozialismus mit Stephan Grigat für den 16.03.2011 im Cafe Filsbach angekündigt. Der Ankündigungstext, welcher zugegebenermaßen sehr anspruchsvoll und für viele schwer verständlich geschrieben ist, deutet bereits darauf hin dass es viele Streit- und Diskussionspunkte zur Person Stephan Grigat und seinem Vortrag geben wird. Da werden beispielsweise „islamische Djihadisten und Nazis“ mit „anderen Antiimperialisten“ gleichgesetzt oder absurde Äußerungen wie dass „im Vernichtungsantisemitismus sich die negative Aufhebung des Kapitals vollzog“ getätigt. Doch neben diesen skurrilen und größtenteils diskutierbaren Äußerungen gibt es Fakten und Zusammenhänge über Stephan Grigat über die es keine Diskussion geben sollte, vor allem für Menschen und Gruppen die sich Antifaschismus und Antirassismus auf die Fahnen geschrieben haben.

Wer ist dieser Stephan Grigat und wieso sollte man ihm keine Basis bieten?

Stephan Grigat ist ein Politikwissenschaftler, Publizist und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Kampagne „Stop the Bomb“. Er ist derzeit Lehrbeauftragter am Institut für Judaistik und am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien. Zudem arbeitet er als freier Autor, unter anderem für die Jungle World und Konkret. Sein hauptsächliches Themen- und Interessengebiet ist „Antisemitismus“ und „Islamismus“. Er gilt als Kritiker der traditionellen Linken (welche er als Antisemitisch einstuft) und des Islam. Laut seiner Auffassung lässt sich der Antisemitismus der traditionellen Linken bis in die Zeit der Frühsozialisten zurückverfolgen. Demnach sollen in der europäischen ArbeiterInnenbewegung der Antisemitismus geleugnet und verharmlost worden sein. Auch in der heutigen Linken sieht Grigat antisemitische Tendenzen – „von der linken Sozialdemokratie, den Grünen und Alternativen, feministischen Gruppierungen, K-Gruppen, Autonomen und Antiimperialisten bis zu den bewaffneten Gruppen“.

Kommen wir doch nun zu den ausschlaggebenden Veranstaltungen und Kooperationen Grigats, die wir nicht mit unserem Anspruch an Antifaschismus und Antirassismus vereinbaren können.

Fall 1:

Stephan Grigat, die „Kritische Islamkonferenz 2008“ und Sarrazin-Befürworter Ralph Giordano

2008 fand in Köln der „Anti-Islamisierungskongress“, organisiert von der rassistischen und rechtskonservativen Bürgerbewegung Pro-Köln statt. Diese Veranstaltung konnte jedoch durch massivem und entschlossenem antifaschistischem Protest verhindert werden. Parallel zu dieser Veranstaltung fand die „Kritische Islamkonferenz“, unter anderem mit Stephan Grigat und dem Publizist und Journalist Ralph Giordano, statt. Die Veranstalter dieser Konferenz distanzierten sich öffentlich von der fremdenfeindlichen Anti-Islamisierungskonferenz. Gleichzeitig entsolidarisierte man sich aber auch von den antifaschistischen und antirassistischen Gegenprotesten und bezeichnete dieser als „eine erprobte Querfront von Moscheebaubefürworter, die von der CDU bis zur KPD/ML reicht“.

Der selbsternannte „Islamkritiker“ Ralph Giordano, entpuppte sich im Laufe der Zeit als populistischer Hetzer gegen muslimische MigrantInnen in der BRD. Im Zuge der rassistischen Hetzkampagne Thilo Sarrazins, Mitte 2010, veröffentlichte er in der Axel-Springer Presse („Die Welt“) zehn „Thesen“ wieso „Sarrazin recht hat“. In diesen „10 Thesen zur Intergrationsdebatte“ rechtfertigt er mit plumpen, antimuslimisch Rassistischen und rechtspopulistischen „Thesen“, Sarrazins rassistische Beschuldigungen gegenüber MigrantInnen. So behauptet er beispielsweise dass „[…]solange rosenkrankzig behauptet wird, der Islam sei eine friedliche Religion, […]solange hat Sarrazin recht[…]“. Desweiteren legitimiert er Sarrazins Meinung mit weiteren islamophoben und fremdenfeindlichen „Thesen“. Folgender Zitat stammte ebenfalls von Giordano: „Das Multi-Kulti-Ideal ist ein Blindgänger, an denen die Geschichte schon überreich ist. Andererseits kenn sie auch Beispiele, dass das Unmögliche möglich wird.“ In diesem Beispiel können wir kein Unterschied zur medialen Hetze der Rechten erkennen.

Für uns ist klar:

Weder eine direkte noch eine indirekte Zusammenarbeit mit solch einem rechtspopulistischen Hetzer, ist für antifaschistische und antirassistische Zusammenhänge nicht akzeptierbar!

Doch dies war nicht die einzige Kooperation Grigats mit rechtsoffenen Organisationen und Personen.

Fall 2:

Stephan Grigat und der „neuerdings“ migrantenfeindliche und rassistische Wiener Akademikerbund

Im Juni 2009 hielt Grigat beim „Wiener Akademikerbund“ einen Vortrag über das iranische Regime. Zu der Zeit war der „Wiener Akademikerbund“ ein sozialdemokratischer, „islamkritischer“ und ÖVP-naher Akademikerbund. Dieser Bund verschickte einige Monate später (1. November 2009), an 70 Politiker aller Parteiern Österreichs ein Positionspapier mit der Bitte Stellung zu nehmen. Die Forderungen lauteten wie folgt: „[…]um die aufgezeigten Gefahren für unser Heimatland abzuwehren bleibt bezüglich der Zuwanderung lediglich unserer Forderung nach einer Beendigung der Einwanderung[…]“, „[…]Das auf die zwangsweise Einführung einer multikulturellen, alles nivellierenden Gesellschaft abziehende Gleichbehandlungsgesetz müsste ersatzlos gestrichen werden, da es die persönliche Meinungs-, Entscheidungs- und Äußerungsfreiheit aufhebt und dieserart Staat und Gesetzgebung benutzt, einen Gewissenszwang auszuüben[…]“. Stephan Grigat bezog erst nach Monaten Stellung zu seinem Auftritt beim Wiener Akademikerbund. Er habe damals keine Ahnung gehabt dass er für fremdenfeindliche und rechtskonservative referieren würde.

An diesen Beispielen zeigt sich deutlich, dass sogenannte „bessere Islamkritik“ wie sie aus der Ecke Giordano & Co. und der sogenannten „Kritischen Islamkonferenz“ kommt, nicht weit entfernt zu rassistischer und rechtskonservativer Hetze ist (siehe Wiener Akademikerbund) . Wie wir im Fall Sarrazin und dem Wiener Akademikerbund gesehen haben, ist es dabei auch nicht entscheidend ob die rechtspopulistischen HetzerInnen Mitglied einer vermeintlich sozialdemokratischen Partei sind.

Eine Zusammenarbeit mit Personen wie Stephan Grigat, die zwar nicht öffentlich fremdenfeindliche Äußerungen von sich geben und sich als „links“ bezeichnen, sich aber in Kreisen von rechtskonservativen Gruppen und Personen bewegen, finden wir daher problematisch. Um so erschreckender und enttäuschender finden wir, dass der AK Antifa Mannheim, welcher seit über 10 Jahren antifaschistische Politik im Raum Rhein-Neckar betreibt, dieser Grauzone den Platz für Vorträge anbietet.

Grigat findet nicht nur innerhalb der antideutschen Szene Zuspruch, sondern auch von rechtskonservativen populären Internetseiten, wie beispielsweise den, nach eigenen Angaben „pro-amerikanischen“, „pro-israelischen“ und „gegen die Islamisierung Europas“ eintretenden, „PI-News“. Diese Seite unterstützt beispielsweise Stephan Grigat und seine Kampagne „Stop the Bomb“.

Wir fordern deshalb alle antifaschistische und antirassistisch gesinnten Menschen und Gruppen auf, sich dieser Veranstaltung entgegenzutreten und diese in jeglicher Form zu Boykottieren.

Versteckte rassistische Tendenzen aufdecken und beseitigen!

Kampf dem Rassismus – auf allen Ebenen mit allen Mitteln!

Fight racism!

 

Stellungnahme des AK Antifa zum Boykottaufruf
Link zu indymedia: http://linksunten.indymedia.org/de/node/35480 [7]

Stellungnahme zum Boykott-Aufruf gegen die Veranstaltung mit Stephan Grigat unter dem Titel „Faschismus, Nationalsozialismus, Ummasozialismus – Zur Aktualität einer negativen Aufhebung des Kapitals“ am 16.3.2011 im Café Filsbach
Auf der Internetplattform indymedia linksunten wurde in den letzten Tagen ein Boykottaufruf aus linken Kreisen gegen unsere Vortragsveranstaltung mit Stephan Grigat veröffentlicht und in den Kommentarspalten außergewöhnlich rege diskutiert. Zu den in dem Aufruf genannten Vorwürfen gegen Stephan Grigat sowie zum Zustandekommen der Veranstaltung wollen wir im Folgenden Stellung nehmen.

Vorweg:

In seiner 10jährigen Geschichte war der AK Antifa Mannheim mit einem solchen Aufruf noch nicht konfrontiert. Wir halten eine solche Art der Auseinandersetzung aber für unsolidarisch und politisch unsinnig. Wir denken, dass sie letztlich auf ihre Urheber zurückfallen muss, die sich anscheinend nur gewaltförmig mit ihnen unliebsamen Positionen auseinandersetzen können, anstatt die politische Diskussion darüber zu suchen, die wir als Gruppe mit dieser Veranstaltung explizit möglich machen und zu der wir – wie immer – im Vorfeld eingeladen haben. Dies zeigt sich besonders daran, dass der Aufruf anonym veröffentlicht wurde und einer kritischen Diskussion so aus dem Weg gegangen wird. Daher sehen wir uns auch gezwungen, auf diesen Aufruf öffentlich zu reagieren.

Zu den Vorwürfen gegen Stephan Grigat:

1. Zunächst erscheint es, wie in der Kommentarspalte bereits mehrfach bemerkt, unsinnig, Stephan Grigat die Äußerungen eines seiner Mitdiskutanten vorzuwerfen, die dieser zwei Jahre nach der fraglichen Veranstaltung gemacht hat. Wichtiger noch ist es aber wohl, darauf hinzuweisen, dass Stephan Grigat selber bei der Kritischen Islamkonferenz reaktionären Tendenzen in der Islamkritik entgegengetreten ist. So hat er zum einen aus dem Publikum heraus Ralph Giordano scharf angegriffen, als dieser ausgerechnet Abschiebungen als Mittel der Islamkritik propagierte. Darüber hinaus hat er bei seinem eigenen Vortrag dafür gesorgt, dass ein Verteidiger der rechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“ keinen Zutritt bekam. Darüber hat dieser sich dann auf PI-News beschwert.

2. Vom Akademikerbund hat Stephan Grigat sich im Nachhinein distanziert. Seine Darstellung dazu, wie dieser Vortrag zu Stande kam und wie er ablief, kann im Internet von allen Interessierten nachgelesen werden: http://www.spme.net/cgi-bin/articles.cgi?ID=6682

Daraus geht klar hervor, dass Grigat den Vortrag selber als „Fehler“ bzw. „Fauxpas“ bezeichnet; zugleich macht er deutlich, dass RassistInnen wie die vom Akademikerbund keine AnsprechpartnerInnen für linke Kritik sind.

Zum Zustandekommen dieses Vortrags:

Der AK Antifa hatte ursprünglich geplant, vor der Veranstaltung mit Stephan Grigat einen „Überblicksvortrag“ zum Thema Faschismustheorie sowie weitere Veranstaltungen zu diesem Thema zu machen, denen dann die angekündigte Veranstaltung folgen sollte, in der Stephan Grigat seine (d.h. die antideutsch-wertkritische) Faschismustheorie zur Diskussion stellen soll. Diese Veranstaltungen kamen leider nicht zustande, weil sich keine geeigneten Referent_innen fanden; das finden wir selber sehr bedauerlich. Die Einordnung der Thesen von Stephan Grigat wird damit sicherlich schwerer fallen. Dennoch ist es für uns selbstverständlich, mit Referent_innen getroffene Absprachen einzuhalten und den Referent_innen auch die inhaltliche Ausgestaltung vollkommen zu überlasssen; dazu gehört auch ein Ankündigungstext zur Veranstaltung.

Letztlich bleibt uns nur eine Einladung an alle Interessierten: Kommt selber zum Vortrag und diskutiert mit uns. Nur aus einer solidarischen Diskussion heraus können wir wirksame Strategien gegen den Faschismus entwickeln.

Es sei aber an dieser Stelle auch klar gesagt, dass wir Beschimpfungen oder Bedrohungen des Referenten oder der Zuhörer_innen nicht hinnehmen werden.

In diesem Sinne: Siempre Antifascista

AK Antifa Mannheim

 

Die Kommentare und Links, welche zusätzlich bei indymedia ergänzt wurden, sind an dieser Stelle nicht dokumentiert, können aber unter den jeweiligen Links nachgelesen werden.