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Wütende Demonstration gegen die NPD – Redebeitrag bei NPD-Funktionär Hehl in S4

Nach der Fassungslosigkeit über den Einzug der NPD in den Mannheimer Gemeinderat setzten mehr als tausend wütende Mannheimer*innen ein starkes Zeichen und machten klar: In unserer Stadt sind Nazis unerwünscht! Nach kurzfristiger Mobilisierung durch das Bündnis Mannheim gegen Rechts trafen sich hunderte Menschen am Mittwochabend, 28. Mai am Paradeplatz, zogen durch die Planken und nach S4, vor das Haus des künftigen NPD-Stadtrats. Dort hielten wir eine Kundgebung ab, um alle Teilnehmer*innen der Demo und die Nachbarschaft über die menschenverachtende Gesinnung des Nazis und Hooligans Christian Hehl zu informieren.

Mehr als tausend Menschen folgten dem Aufruf von Mannheim gegen Rechts [1]

Mehr als tausend Menschen folgten dem Aufruf von Mannheim gegen Rechts

Vor dem Haus tauchte der Nazi Jens Wunderlich auf, ebenfalls Kandidat der NPD-Liste. Er bekam erst von der Demo und dann von der Polizei einen Platzverweis. Später zog die Demo weiter zum Rathaus, wo es zum Abschluss einen musikalischen Beitrag von Mal Élevé (Irie Révoltés) gab und die Stadträt*innen der demokratischen Parteien den zukünftigen Umgang mit dem Nazi berieten. So viel war klar: Mit der NPD wird es keine Zusammenarbeit geben. Nazis haben in Mannheim keinen  Platz – nicht auf der Straße, nicht in den Parlamenten und nicht in den Köpfen!

Auftakt am Paradeplatz [2]

Auftakt am Paradeplatz

So bedauerlich der Einzug der NPD in den Stadtrat ist, so absurd ist es zudem: Eine faschistische Partei profitierte von einer basisdemokratischen Reform, die kleine Parteien bevorzugt. Die NPD hatte weder einen guten Wahlkampf gemacht, noch ein Thema für sich vereinnahmen können. Im Gegenteil, die Wahlkampfabschlusskundgebung in Käfertal war ein peinlicher Auftritt, den selbst die alles schönredende Parteipropaganda lieber verschwieg. Die Wahlergebnisse waren ähnlich denen, die Nazi-Parteien und Wählerlisten in den letzten Jahren auch verzeichnen konnten. Einzig das neue Sitzverteilungssystem brachte der NPD den Wahlerfolg. Für uns bedeutet das umso mehr, den Blick auf die rechte Szene zu haben, auf der Straße, wie jetzt auch in den Parlamenten. Wir werden der NPD die Suppe versalzen und dafür sorgen, dass ihnen das Lachen nach ihrem kleinen Wahlerfolg schon bald wieder vergehen wird.

Im folgenden dokumentieren wir den Redebeitrag, den wir vor dem Haus von Christian Hehl hielten.

Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten, Stadträtinnen und Stadträte, Anwesende, Anwohnerinnen und Anwohner an den Fenstern,

ich begrüße euch im Namen des AK Antifa Mannheim. Wir sind Teil der Fachschaft für politische Bildung im Jugendzentrum „Friedrich Dürr“ in der Neckarstadt. Wir demonstrieren heute gegen den Einzug des Nazis Christian Hehl in den Gemeinderat.

Demo in den Planken [3]

Demo in den Planken

Als Antifaschist*innen und Aktive im Jugendzentrum sind wir ganz persönlich von der veränderten Zusammensetzung des Gemeinderats betroffen. Nicht nur, dass die Kräfte verloren haben, die unserer antifaschistischen Arbeit aufgeschlossenen sind. Nein, es gab einen ganz ekelhaften Zuwachs rechts außen. Mit 4 Mandaten und damit in Fraktionsstärke ist die neue rechtspopulistische Partei AfD eingezogen. Bereits im Wahlkampf sind sie mit rassistischen Sprüchen auf Stimmenfang gegangen –  leider mit Erfolg. Wohin die Reise gehen wird, sei es auf kommunaler Ebene oder im europäischen Parlament, ist heute noch gar nicht abzuschätzen. Soviel ist aber sicher: Mit der AfD geht es rückwärts und nicht nach vorne. Die nationalistischen, rassistischen und sozialchauvinistischen Parolen werden zu einer Verschlimmerung der Zustände führen und der gesellschaftlichen Emanzipation einen Rückschlag versetzen.

Noch absurder als eine rechtspopulistische Fraktion im Gemeinderat wirkt der Einzug eines stadtbekannten Nazi-Hooligans. Der NPD Politiker Christian Hehl, vor dessen Wohnung wir uns hier versammelt haben, konnte die meisten Stimmen auf seiner Liste verbuchen und erhält Dank eines neuen Auszählsystems trotz verhältnismäßig geringem Stimmenanteil das Mandat. Völlig absurd, wenn man bedenkt, dass eher linke, basisdemokratischer Kräfte sich für das neue Auszählsystem stark gemacht hatten und jetzt eine faschistische Partei, die eine Diktatur nach Vorbild des historischen Nationalsozialismus errichten möchte, davon profitiert.

Nazis stoppen! [4]

Nazis stoppen!

Wir können zwar feststellen, dass sich die Gesamtzahl der Menschen, die in Mannheim Nazis gewählt haben, nicht besonders verändert hat. Bei der letzten Bundestagswahl erhielt die NPD ein ähnliches Ergebnis. Doch das alles ändert nichts an der Tatsache: Wir haben es jetzt mit einem Nazi im Gemeinderat zu tun.

Aus diesem Anlass und weil wir ihn heute persönlich hier aufsuchen, wollen wir alle Anwesenden und insbesondere auch die Anwohner*innen über die Person aufklären, die hinter dem NPD-Mandat stecht. Christian Hehl wurde am 29. Mai 1969 in Ludwigshafen geboren und wird demnach morgen 45 Jahre alt. Seit einigen Jahren wohnt er hier in Mannheim im Quadrat S4 und macht politische Arbeit für die NPD.

Wie kam es dazu? Als Jugendlicher in Ludwigshafen suchte er Kontakt zur Punk Szene im damaligen Haus der Jugend, fand jedoch keinen Anschluss. Erst im Fußballstadion konnte er sich einer Gemeinschaft zugehörig fühlen, wurde Fan des SV Waldhof Mannheim und Hooligan der Gruppierung „The Firm“, die es auch heute noch gibt. Über die Fußballfanszene wurde er politisiert, knüpfte Kontakte zu Nazi-Funktionären verschiedener Organisationen und nachdem er selbst in mehreren, heute teils verbotenen Nazi-Gruppierungen Mitglied war, fand er seine politische Heimat in der NPD.

NPD Politiker Christian Hehl [5]

NPD Politiker Christian Hehl

Für die NPD kandidierte er jahrelang im Wahlkreis Ludwigshafen – stets erfolglos. Zwar profitierte er von seiner Popularität in der Hooligan-Szene, dies konnte er jedoch nie in Wahlerfolge umsetzen. Vor allem Ende der 90er Jahre fiel Hehl mehrfach wegen brutaler Gewalttätigkeiten auf. In Speyer zertrümmerte er einem Antifaschisten von hinten mit einem Schlagstock den Schädel. Dafür und wegen zahlreicher anderer Delikte wurde er vorbestraft, ein Richter bescheinigte ihm eine „menschenverachtende Gesinnung und Brutalität“. Auch im Knast saß er eine Weile, wurde aber vorzeitig entlassen, vielleicht auch deshalb, weil er den Richter*innen immer wieder Geschichten vom Ausstieg aus der Szene und ähnlichem erzählte. Was daraus geworden ist, sehen wir heute.

Hehl versuchte sich in seiner politischen Laufbahn auch als Geschäftsmann und eröffnete den Laden „Hehls World“ in Ludwigshafen-Süd, der nach Anwohnerprotesten aber bald wieder schließen musste. Weitere Jobs fand er als Türsteher oder als Gelegenheitsarbeiter für die Partei. Vor etwa 10 Jahren war er mitverantwortlich für eine ganze Serie von Nazi-Konzerten auf der Rheinau. Im Hafengebiet hatten die Nazis einen ehemaligen Rockerschuppen angemietet und veranstalteten Rechtsrock Konzerte. Bei solchen Partys werden vor allem Jugendliche an die rechte Szene herangeführt und in den Texte, die von der Bühne und aus dem Publikum gegrölt werden, wird zum Rassenhass und zur Jagd auf alles „nicht-deutsche“ aufgerufen.

Das gefährliche an Christian Hehl ist seine Integrationsfähigkeit. Hehl ist weder besonders schlau, noch gebildet. Im Wahllokal letzten Sonntag stand er da und fragte nach, wie er denn jetzt eigentlich seinen Stimmzettel auszufüllen habe. Seine Stärke liegt gerade darin, dass er als einfacher, lockerer, kumpelhafter Typ daherkommt und gerade bei jungen Menschen punktet, die sich damit identifizieren können. Sozusagen Dummheit und Einfältigkeit als Stärke. Welche Strategien dagegen helfen ist uns bis heute noch nicht so ganz klar.

Kundgebung vor S4, 3, dem Wohnhaus von Christian Hehl [6]

Kundgebung vor S4, 3, dem Wohnhaus von Christian Hehl

Jedenfalls wollen wir noch einmal betonten, dass der NPD Politiker Christian Hehl trotz seines aktuellen Wahlerfolgs eine vielfach ungeliebte Person ist, die nicht in unsere Stadt passt. Selbst im Fußballstadion machen sich Faninitiativen gegen ihn und andere Nazis stark. Gerade die jüngere Generation Waldhoffans, darunter viele Migrant*innen, haben keinen Bock mehr auf die Nazi-Scheiße im Stadion, die vor allem die 90er Jahre geprägt hat.

Wie geht es weiter? Auch wenn die NPD mit ihrem Ergebnis von 1,2 % Stimmenanteil in den Gemeinderat einzieht, ist doch immer noch die große Mehrheit in der Bevölkerung der Meinung, dass Nazis nichts in unserer Gesellschaft verloren haben. In Mannheim streben wir ein solidarisches Zusammenleben aller Menschen an, egal wo sie herkommen und wie sie ihr Leben gestalten wollen. Auch hier gibt es Rassismus aber vor allem gibt es hier viele Menschen, die etwas gegen Rassismus unternehmen. Und das ist gut so!

Den Akteurinnen und Akteuren der menschenfeindlichen Hetze haben wir uns in den letzten Jahren erfolgreich entgegen gestellt. Wir haben NPD-Veranstaltungen verhindert, ihre Aufzüge blockiert, ihre Reden übertönt, ihre ProtagonistInnen in die Öffentlichkeit gezerrt und für Rauswürfe aus ihren Veranstaltungsräumen gesorgt. Den erfolgreichen Kampf gegen Nazis auf allen Ebenen werden wir jetzt, nach dem Einzug der NPD in den Gemeinderat, nur noch intensiver fortführen.

Ihr Nazis, lasst euch das gesagt sein: Die nächsten 5 Jahre werden ungemütlich werden, denn wir haben euch im Blick. In unserer Stadt ist kein Platz für euch und auch wenn ihr heute einen kleinen Wahlerfolg feiern könnt, werden wir morgen dafür sorgen, dass euch das Lachen wieder vergehen wird.

Alle Anwesenden rufen wir heute dazu auf, dabei mitzuhelfen, dass sich Nazis in unserer Stadt nicht wohl fühlen. Markiert sie, isoliert sie und macht ihnen das Leben schwer. Vor allem diejenigen, die selbst betroffen sind, rufen wir zum Handeln auf. Wenn ihr von Nazis und RechtspopulistInnen als „Ausländer“ stigmatisiert und beleidigt werden, wenn ihr als „Zecken“ beschimpft werdet, wenn ihr als Vertreter*innen demokratischer Parteien und Vereine, als Menschen mit unkonventionellen Lebensentwürfen, als Liebhaber*innen von Kunst und Kultur oder als Unterstützer*innen von Flüchtlingen von den Nazis angegriffen werdet: Wehrt euch! Schließt euch zusammen! Überlasst den Faschisten keinen Fußbreit!

Alleine ist es schwer, aber gemeinsam sind wir stark. Gemeinsam im Bündnis Mannheim gegen Rechts, gemeinsam auf der Straße und in den Köpfen der Menschen.

Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus! Die NPD zerschlagen! Christian Hehl, hau ab aus Mannheim!

 

Siehe auch: Infoblatt zur NPD zur Kommunalwahl 2014 [7]