Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen, verehrte Anwesende!
Wir haben uns heute wie jedes Jahr hier versammelt um der Widerstandsgruppe um Georg Lechleiter am Jahrestag ihrer Hinrichtung zu gedenken. Heute vor 64 Jahren wurden er und 13 seiner Mitstreiter ermordet. Die Erinnerung an sie erfüllt uns nicht nur mit Wut und Trauer, sondern auch mit großem Respekt. Denn das Handeln dieser Menschen zeichnete sich vorbildlich durch Courage und Mut aus. Sie dürfen nicht vergessen zu werden. Ihr Beispiel muss bewahrt werden.
Die Erinnerung an sie bedeutet für uns aber auch eine Verpflichtung. Der Widerstand der Lechleitergruppe gegen den Nationalsozialismus war nur dann nicht vergeblich, wenn es Menschen gibt, die weiterhin für ihre Ziele eintreten. Diese Verpflichtung wurde ausgesprochen im Schwur der befreiten Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald. Dort heißt es:
„Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig.“
Das bedeutet heute zunächst einmal als Minimalforderung natürlich den Kampf gegen das Erstarken der Nazisszene. Diese ist auch in unserer Region seit Jahren im Aufwind. Es ist wichtig dass dieser Kampf von allen demokratischen, fortschrittlichen und antifaschistischen Kräften vereint geführt wird. Deshalb ist es auch wichtig, dass wir uns an einem Datum wie dem heutigen möglichst alle gemeinsam unserer historischen Verpflichtung erinnern.
Wir interpretieren die Verpflichtung aus dem Buchenwald-Schwur aber als eine die wesentlich weitergeht, als nur bis zum Kampf gegen die organisierte Naziszene. Denn immerhin ist dort von der Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln die Rede. Es geht also um mehr, als um die militärische Zerschlagung des nationalsozialistischen Deutschlands, die kurz nach diesem Schwur ja glücklicherweise erfolgte.
Wer sich umschaut nach diesen Wurzeln des Nazismus, findet diese bald in der Mitte dieser Gesellschaft. Rassistische, antisemitische, autoritäre und sozialdarwinistische Srukturen, Denk-, und Verhaltensweisen sind kein Monopol organisierter Nazis. Sie sind in unserer Gesellschaft weit verbreitet. Von einer Vernichtung der Wurzeln des Nazismus kann also keine Rede sein.
Und die „neue Welt des Friedens und der Freiheit“, leben wir schon in dieser? Nun ist in Westeuropa seit 60 Jahren kein Krieg mehr geführt worden. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dagegen stürzte Deutschland die Welt gleich in zwei Kriege. Im Vergleich dazu nimmt sich das heutige Europa durchaus wie „eine neue Welt des Friedens und der Freiheit“ aus.
Werden Frieden und Freiheit so verstanden, geht es lediglich um die Abwesenheit direkter militärischer Konfrontation zwischen Staaten. Dann wäre die Abschiebung von Flüchtlingen in Bürgerkriegsgebiete etwas ebenso mit Frieden vereinbares wie eine anwachsende Naziszene. Dann wären ebenso Massenarbeitslosigkeit und zunehmender Antisemitismus mit Freiheit zu vereinbaren.
Eine Welt des Friedens und der Freiheit bedeutet für uns etwas anderes. Wir vetreten die Auffassung, dass sie für alle Menschen umfassend verwirklicht werden muss. Dazu muss diese Gesellschaft grundlegend verändert werden. Demokratie muss mehr bedeuten als wählen und demonstrieren zu dürfen. Nicht die Sachzwänge der kapitalistischen Wirtschaft dürfen die Entwicklung der Gesellschaft bestimmen. Im Gegenteil, die Bedürfnisse der Menschen müssen die gesellschaftliche Entwicklung bestimmen. Erst dann kann ein Leben in Frieden und Freiheit für alle Menschen verwirklicht werden.
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe GenossInnen und Genossen, verehrte Anwesende. Bis zu Vernichtung der Wurzeln des Nazismus und dem Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist es noch ein weiter Weg. Die Geschichte verpflichtet uns diesen Weg zu gehen. Wir sind es der Lechleitergruppe ebenso schuldig wie allen anderen Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfern gegen den Nationalsozialismus.
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit
Ak Antifa im September 2006