Wie in jedem Jahr trafen sich Antifaschistinnen und Antifaschisten zur Gedenkveranstaltung an die Mannheimer Kämpferinnen und Kämpfer um Georg Lechleiter, die noch bis 1942 mutig Widerstand gegen das Terror-Regime der Nazis leisteten. Als die Wehrmacht die Sowjetunion 1941 überfiel, gab die Gruppe die illegale Zeitung „Der Vorbote“ heraus. Ihr Motto lautete: „Hitler hat den Krieg begonnen – Hitlers Sturz wird ihn beenden!“ Über die Aktivitäten der Lechleiter-Gruppe kann man bei der VVN-BdA nachlesen: http://mannheim.vvn-bda.de/lechleiter-gruppe/
Im folgenden dokumentieren wir unseren Redebeitrag zur Gedenkveranstaltung 2014.
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen,
in diesen Tagen jährt sich die Ermordung der Widerstandsgruppe um Georg Lechleiter zum 72. Mal. Wir haben uns – wie jedes Jahr – hier versammelt, um den 14 ermordeten Antifaschistinnen und Antifaschisten zu gedenken.
Ihr Widerstand gegen den alltäglichen Terror des Nationalsozialismus ist für uns auch heute noch ein leuchtendes Vorbild. So schwer für uns die Bedingungen des Kampfes der Lechleiter-Gruppe auch nachzuvollziehen Sind, eines steht fest: Die Widerstandsgruppe stand für einen konsequenten Antifaschismus. Ihre Perspektive war schon in der Zeit der Weimarer Republik auf eine fundamentale gesellschaftliche Umwälzung hin zu einer befreiten Gesellschaft gerichtet. Auch wenn wir uns heute unter der befreiten Gesellschaft vermutlich etwas anderes vorstellen, so muss dennoch das Gedenken an die Lechleiter-Gruppe wach gehalten und ihr Beispiel weitergegeben werden.
Der Kampf gegen Faschismus macht auch heute nur Sinn, wenn er auch ein Kampf gegen dessen Wurzeln ist.
Für uns als heute aktive Antifaschistinnen und Antifaschisten heißt das, dass wir in unseren Analysen den Faschismus nicht kritisieren können, ohne auch den Nationalismus weiter Teile der Bevölkerung zu kritisieren.
Es heißt auch, dass an eine tatsächliche Befreiung vom Faschismus ohne die Abschaffung des Kapitalismus nicht zu denken ist. Ebenso bedeutet für uns konsequenter Antifaschismus auch praktisch, sich den Nazis hier und heute, mit allen Mitteln in den Weg zu stellen und sich dabei weder von den Nazis selbst, noch von der Polizei, noch von legalistischem Gejammer aufhalten zu lassen.
Dass ein solcher konsequenter Antifaschismus auch weiterhin notwendig ist, zeigt sich an diversen Ereignissen der letzten Zeit. So gab es im Oktober 2013 in Mannheim Hausdurchsuchungen bei drei Antifaschistinnen und Antifaschisten, die mit der fadenscheinigen Begründung gerechtfertigt wurden, die Betroffenen seien an einem Zwischenfall bei einer Nazikundgebung in Sinsheim beteiligt gewesen. Die Polizei machte sich dabei nicht einmal die Mühe nachzuweisen, dass die drei betroffenen Personen an diesem Tag überhaupt in Sinsheim anwesend waren. Allein ihr Engagement gegen Nazis reichte der Polizei und dem zuständigen Richter aus, um eine Hausdurchsuchung anzuordnen. Dass diese Maßnahme auf der nächsten richterlichen Instanz sofort für rechtswidrig erklärt werden würde, muss den Beteiligten dabei bewusst gewesen sein. Dass die Polizei also den Aufwand betrieben hat, diese Hausdurchsuchungen zu beantragen und durchzuführen, obwohl sie wusste, dass sie alle dabei gesammelten Beweise vor Gericht niemals hätte verwenden können, hat genau einen Grund: Die Betroffenen und alle anderen, die sich in der Rhein-Neckar Region und darüber hinaus gegen Nazis engagieren, sollen eingeschüchtert werden. Die Botschaft, die damit an alle Antifaschist*innen ausgesendet werden sollte, lautet: Haltet die Füße still, oder wir brechen eure Wohnungstüren auf, bedrohen euch mit Schusswaffen und dringen tief in eure Privatsphäre ein. Wir wollen daher an dieser Stelle betonen, dass diese Rechnung nicht aufgehen wird. Wir lassen uns von den staatsterroristischen Methoden der Polizei nicht einschüchtern. Unsere Solidarität und unser Widerstand werden sich durch ihre Repression nicht brechen lassen!
Ein weiterer Prozess gegen einen Antifaschisten wird am 25. September in Öhringen stattfinden. Ihm wird vorgeworfen, im Februar 2014 dem SPD Innenminister Reinhold Gall bei einer Podiumsdiskussion eine Torte ins Gesicht geschmissen zu haben. Grund dafür war die von Gall nach wie vor betriebene Sabotage an der Aufklärung der NSU-Morde und seine Blockadehaltung, die dazu führt, dass es immer noch keinen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu den Verbindungen des NSU nach Baden Württemberg gibt.
Zur Erinnerung: Dies ist derselbe SPD Innenminister, der alles daran setzt, den Heidelberger Spitzelskandal unaufgeklärt zu lassen. In einem Bekenner*innenschreiben zum Tortenwurf auf Gall heißt es: „Unsere Geduld gegenüber denjenigen, denen die Staatsräson wichtiger ist als die Aufklärung über die Morde und die Strukturen des NSU, geht langsam zu Ende. Und wir sind uns sicher, dass es vielen Menschen in der BRD und in Baden-Württemberg ähnlich geht.“
Dieser Aussage können wir nur zustimmen. Und wir wollen darüber hinaus die Frage stellen: Was für eine Staatsräson soll das sein, die das mörderische Treiben eines Neonazi-Netzwerks unter den Teppich kehren will und es gleichzeitig für notwendig hält linken Studierendengruppen einen Spitzel auf den Hals zu hetzen?
Es sind allerdings nicht nur Reinhold Gall und das Baden-Württembergische Innenministerium, die lieber nicht so genau hingucken wollen, wenn eine Nazibande mordend durchs Land zieht. Insbesondere der deutsche Inlandsgeheimdienst hat von Anfang an die Aufklärung der NSU-Morde sabotiert, hat den Aufenthaltsort der drei untergetauchten Nazis geheim gehalten und sie auf vielfältige Weise direkt und indirekt unterstützt, um dann im Nachhinein lieber Akten zu vernichten als Informationen über faschistische Mörderinnen und Mörder herauszugeben. Wie groß das Ausmaß an Unterstützung des NSU durch den deutschen Inlandsgeheimdienst war und ist, hat erst zuletzt mit dem Bericht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses in Thüringen wieder die Grenzen des Angenommenen und Vorstellbaren gesprengt. Dass eine solche Institution den Namen „Verfassungsschutz“ trägt, ist dabei nur eine weitere makabere Pointe. Für uns kann ein akzeptabler Umgang mit einer solchen Institution nicht in einer Reform oder gar in einem einfachen „weiter so“ bestehen. Die Landesämter und das Bundesamt für Verfassungsschutz gehören ersatzlos aufgelöst!
Während also klar ist, dass man von den staatlichen Institutionen im Kampf gegen Nazis nichts zu erwarten hat, verschärfen sich die sozialen und politischen Konflikte in der Gesellschaft weiter und mobilisieren die nationalistischen und rassistischen Ressentiments der Bevölkerung. Fremdenfeindlichkeit ist wieder hoch im Kurs und trifft insbesondere Sinti und Roma, Menschen aus Rumänien und Bulgarien und Geflüchtete aus der ganzen Welt. Rassistische Mobilisierungen und Angriffe auf Flüchtlinge und Flüchtlingsunterkünfte und eine menschenfeindliche Abschiebepolitik gepaart mit Residenzpflicht und der zynischen Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsländer durch Bundestag und Bundesrat sind dabei allerdings nur die Manifestationen des Alltagsrassismus, der sich längst in den Köpfen eines Großteils der deutschen Bevölkerung eingenistet hat. Diese offensichtliche Erkenntnis hindert jedoch kaum eine der politischen Parteien daran, mittels extremismustheoretischem Schwachsinn den Rassismus aus ihrer Wählerschaft herauszudefinieren. Das Problem heißt allerdings nicht Extremismus, sondern Rassismus. Wer meint, die vermeintliche Mitte der Gesellschaft wäre frei davon, wird weder in der Lage sein, das Problem zu verstehen, noch es wirklich zu bekämpfen.
Gleichzeitig schafft es eine Partei wie die AfD, die ihre national-konservative und proto-faschistische Fratze immer schlechter hinter ihrer liberalen Maske verstecken kann, bei Wahlen mitunter 12% der Stimmen für sich zu gewinnen. Auch in den Mannheimer Gemeinderat ist sie dieses Jahr zusammen mit der NPD eingezogen und hat damit gezeigt, dass es auch in der Mannheimer Bevölkerung eine wachsende Affinität zu rechten und autoritären Lösungsansätzen gibt.
Antifaschistische und antirassistische Arbeit ist also nach wie vor bitter notwendig und wir, als heute aktive Antifaschistinnen und Antifaschisten, werden auch in Zukunft auf unser eigenes Engagement bauen müssen. Das Handeln der Lechleiter-Gruppe, die trotz der immensen Gefahr, in der sie sich befanden, aktiv wurde, ist uns dabei Vorbild und Motivation. Nur der gemeinsame Kampf gegen Staat, Nation und Kapital, gegen die faschistische Ideologie und ihre national-konservativen Vorstufen und gegen den Rassismus in den Köpfen der Bevölkerung kann uns einer befreiten Gesellschaft näher bringen. Diesen Kampf werden wir auch weiterhin führen. Auf allen Ebenen und mit allen dafür notwendigen Mitteln.