Redebeitrag der Gruppe „Aktion und Kritik“ auf der Demo am Freitag Abend

Wir weigern uns konstruktiv zu sein
…unsere unversöhnliche Abneigung gegen das Bestehende

Im folgenden dokumentieren wir den Redebeitrag der Göttinger Gruppe „Aktion und Kritik“ zur Demonstration „Nicht verleugnen. Nicht verdrängen. Nicht Verwerten. Mit Deutschland endgülitg brechen!“ am 07.04.2006 in Mannheim:


In diesen Tagen muss sich der in seinen Kreisen international anerkannte Shoah-Leugner Ernst Zündel erneut vor einem deutschen Gericht verantworten. Ob das Gericht ihn hierbei so billig davon kommen lassen wird wie 1991 ist angesichts der Entwicklungen, die die deutsche Erinnerungspolitik seit Regierungsantritt von Rot-Grün genommen hat, fragwürdig.
Das neue Deutschland, das aus seinen Fehler und Erfahrungen gelernt haben will und nun für sämtliche Konflikte die weltweit auftreten eine Oberlehrer-Rolle beansprucht, kann keine Nazis ertragen. Zumindest keine wie Zündel, die das Ansehen des Standortes Deutschland im Ausland schädigen, oder solche die an symbolträchtigen Tagen, wie dem 8. Mai, der Weltöffentlichkeit zeigen wollen, dass es sie immer noch gibt. Im Gegenteil: Er nutzte den Aufmarsch der außerhalb der Gemeinschaft verorteten „Ewiggestrigen“ am 8.Mai 2005, um sich mit dem „Tag der Demokratie“ vor der Weltöffentlichkeit als das „neue Deutschland“ zu inszenieren. Als ein Deutschland, dass hiermit den vorläufigen „Endsieg“ über die eigene Geschichte erlangt.
Währenddessen werden in der Bundesrepublik historische Disposition und Täter-Opfer-Unterscheidung solange im Kreis gedreht, bis am Ende niemand mehr weiß, wer eigentlich Schuld war. Und tatsächlich, die Täter verschwinden. Sie werden wahlweise zu Opfern der Alliierten, zu Opfern der Nazis oder gleich zu Opfern ahistorischer schrecklicher Verhältnisse umgedeutet. Sind wir nicht alle ein bisschen Opfer? Ist das nicht schizophren?
Die Shoah wird nicht mehr verschwiegen oder gar geleugnet. Sie wirkt konstituierend für die nationale Identität, mehr noch: Sie wird angenommen als historischer Auftrag. Kein Schlussstrich! Dahingehend hat die rot-grüne Regierung den deutschen Nationalismus gründlich modernisiert. Wer die Opfer des Nationalsozialismus sind, wer wie gelitten hat, ob zu Recht oder zu Unrecht und wie damit umzugehen ist, entscheidet immer noch Deutschland. So ist das so genannte Holocaust-Mahnmal zunächst ein Ort der eigenen Selbstvergewisserung. Ein Ort an dem Deutsche bestimmen, wie Ihren Opfern gedacht werden soll. Siegerjustiz?
2005: Die Herauszögerung einer Entschädigung der ehemaligen Zwangsarbeiter und Zwangarbeiterinnen unter Graf Lambsdorf, bis auch noch das letzte Opfer verstorben ist.
2006: Die Weigerung des Bundesverfassungsgerichts einer Klage Angehöriger von Opfern des Wehrmachtsmassakers im griechischen Distimo stattzugeben, mit einem opferverachtenden Rüstzeug, dass seine Tradition in den 50er Jahren der Adenauer-Zeit hat.

Auch wie die Realität an den 364 verbleibenden Tagen des Jahres aussieht ist bekannt. Fast jedes Wochenende werden von der Polizei Naziaufmärsche durchgeprügelt und Nazis und ihr Gedankengut von Politik und Verwaltung verharmlost. Wo niemand zuschaut findet Deutschland dementsprechend immer noch zu sich selbst.
Dennoch ist das neue Deutschland mit seiner antifaschistischen Grundhaltung ernst zu nehmen, egal wie widersprüchlich es auch daher kommen mag. Gegen Nazis sind erstmal alle und grade deshalb bieten sich diese als Negativfolie auch so gut an. Antisemiten, Rassisten, Nazis, das sind die Anderen. Dabei kommt die so genannte Zivilgesellschaft den Nazis regelmäßig inhaltlich näher als ihr lieb ist. Das Wort „Bombenholocaust“ wird erst dann zum Skandal, wenn es statt einem deutschen Historiker, ein deutscher Nazi in den Mund nimmt. Ein deutscher Politiker hält erst dann eine antisemitische Rede, wenn der Druck von außen zu groß wird. Und der Vergleich zwischen Bergen Belsen, Coventry, Auschwitz und Dresden ist dann kein Geschichtsrevisionismus mehr, wen die Stadt diesen selber aufs Plakat bringt.
Wir stehen nicht in erster Linie hier, weil jemand wie Ernst Zündel für revisionistische Äußerungen, die nicht zum offiziellen Geschichtsverständnis des deutschen Staates passt, von einem deutschen Gericht bestraft werden soll. Wir stehen auch nicht hier, weil seine nationalsozialistischen Freundinnen und Freunde diese Ansicht teilen.
Wir stehen hier, weil mit dem deutschen Staat keine Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit, kein Gedenken und Erinnern an seine Opfer, keine Bestrafung der Täter und erstrecht keine emanzipatorische Gesellschaft zu machen ist. Wir fügen uns in unsere unversöhnliche Abneigung gegen das Bestehende. Wir weigern uns konstruktiv zu sein. Wir wissen, dass es richtig ist, gegen das falsche Ganze anzugehen: Denn ein Ende der kapitalistischen Zumutungen ist nur von der „Assoziation freier Individuen“, dem Kommunismus, zu erwarten.

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