Redebeitrag im Rahmen der Gedenkfeier für die Lechleiter-Gruppe am 15.9.2017

Liebe Freund*innen, Genoss*innen und Interessierte der heutigen Gedenkveranstaltung,

traditionell versammeln wir uns Jahr für Jahr am Georg-Lechleiter-Platz, um den von den Nazis ermordeten Genossinnen und Genossen zu gedenken.

Als Fachschaft des Jugendzentrum „Friedrich Dürr“ freuen wir uns darüber, ein Grußwort sprechen zu dürfen. Der Name „Friedrich Dürr“ verpflichtet uns zur aktiven Auseinandersetzung mit unserer Geschichte. Er war, wie die Mitglieder der Lechleiter-Gruppe und andere Antifaschist*innen dieser dunklen Zeit, ein leuchtendes Vorbild im Widerstand gegen den alltäglichen Terror des Nationalsozialismus. So schwer für uns die Bedingungen dieser Kämpfe auch nachzuvollziehen sind, eines steht fest: Der Mannheimer Arbeiterwiderstand vertrat einen konsequenten Antifaschismus aus tiefster Überzeugung trotz widrigster Bedingungen. Verboten, Bespitzelungen, Einschüchterungen, Denunziationen und später Folter und Hinrichtungen zum trotz brachten sie ihre Zeitungen heraus und planten weiter Aktionen gegen den Faschismus, dessen Gefahr sie schon früh erkannt hatten. Der Mut der Männer und Frauen beeindruckt uns heute und widerlegt und widerlegt die Ausrede einer ganzen Generation, „man habe ja nichts tun können“ oder alternativ „man habe ja von nichts gewusst“.

Die Perspektive der Antifaschist*innen war schon in der Zeit der Weimarer Republik auf eine fundamentale gesellschaftliche Umwälzung, hin zu einer befreiten Gesellschaft gerichtet. Sozialdemokrat*innen, Sozialist*innen, Kommunist*innen, Anarchist*innen und andere schlossen sich zusammen und auch wenn sie in vielen Fragen der Gesellschaftskritik unterschiedliche Auffassungen hatten, so war der gemeinsame Kampf gegen Faschismus, Rassismus, Antisemitismus, Kriegsvorbereitungen, Ausbeutung der Arbeiterklasse und Unterdrückung der politischen Gegner*innen das verbindende Element. An vielen anderen Orten hatte es nicht geklappt und die Spaltung der Nazi-Gegnerschaft führte zu einer Schwächung des Widerstands. Die Faschist*innen lachten sich in Fäustchen, wenn sie ihre zerstrittenen Feinde sahen. Daraus müssen wir lernen und wir haben gelernt. In Mannheim stehen wir heute gemeinsam gegen Nazis und andere Rassist*innen. Wir haben uns im Bündnis „Mannheim gegen Rechts“ zusammen geschlossen. Wir respektieren unsere politischen Unterschiede und Aktionsformen und orientieren uns am gemeinsamen Ziel: Die Propaganda der Rechten verhindern, stören und entlarven und für eine offene und solidarische Gesellschaft einstehen – in Akzeptanz unserer jeweils unterschiedlichen Vorstellungen davon.

Das Grußwort beim Lechleiter-Gedenken ist für uns immer eine Gelegenheit, Bilanz im Kampf gegen Rechts vor historischer Kulisse zu ziehen. Waren wir Erfolgreich mit unserer Arbeit? Welche Gefahren gibt es heute und womit werden wir uns das kommende Jahr beschäftigen müssen? Das Vermächtnis der Lechleiter-Gruppe ist für die Antifaschist*innen in Mannheim Herausforderung und Motivation zugleich. Wie würden die Widerstandskämpfer*innen der 30er und 40er Jahre des letzten Jahrhunderts heute die AfD bewerten? Treffen die alten Analysen des Faschismus heute noch zu?

Wenn in der öffentlichen Diskussion die AfD als „normale“ oder gar „demokratische“ Partei aufgeführt wird, fällt uns dazu ein Zitat von Theodor W. Adorno ein: „Ich fürchte mich nicht vor der Rückkehr der Faschisten in der Maske der Faschisten, sondern vor der Rückkehr der Faschisten in der Maske der Demokraten.“

Daher ärgern uns die aktuellen Diskussionen, beispielsweise um Raumvergaben, Teilnahmen an Talk-Shows, Diskussionsrunden, Interviews usw. Die AfD wird mittlerweile viel zu oft als „normale“ Partei neben CDU, SPD, Grünen, FDP und Linken gehandelt. Das ist eine Folge des gesellschaftlichen Rechtsrucks. Vor allem die ängstliche und fast zuvorkommende Haltung von Stadt- und Gemeindeverwaltungen gegenüber der AfD, beispielsweise bei Raumvermietungen, ist beschämend. Aus Angst, den Vorwurf der Ungleichbehandlung zu bekommen, wird die AfD beinahe zuvorkommend behandelt oder es gibt absurde Regelungen, dass Raumvergaben so massiv eingeschränkt werden, dass sie viele andere auch betreffen – eine Schande für die Verantwortlichen. Es kommt einem so vor, als hätten immer weniger Menschen das Rückgrat, über die AfD Klartext zu reden und deutlich das Problem beim Namen zu nennen: „Nein, euch unterstützen wir nicht, weil ihr Rassisten seid, weil ihr geschichtsvergessene Rechtsnationale seid!“ Solche Sätze wollen wir hören! Stattdessen wird sich in allgemeine Floskeln geflüchtet: Für Fremdenfeindlichkeit sei hier kein Platz, unsere Stadt sei doch tolerant und vielfältig oder – noch schlimmer – es wird aus dem Verfassungsschutzbericht zitiert – und siehe da, die AfD steht dort gar nicht drin. Warum auch? Der Verfassungsschutz wurde von alten Nazis mit aufgebaut, als Nachrichtendienst gegen die „rote Gefahr im Inneren“. Der Geheimdienst mit dem unpassenden Namen ist sicherlich kein Verteidigungsorgan der Demokratie gegen rechts. Eher das Gegenteil, eine undurchsichtige Behörde zur Überwachung der eigenen Bevölkerung ohne jegliche demokratischer Kontrolle. Alte Gestapo-Leute, die für die Verfolgung des Widerstands im NS verantwortlich waren und im Kalten Krieg dem NATO Bündnis als Kommunisten-Kenner gelegen kamen, haben diese Behörde geprägt. Die Lechleiter-Gruppe wäre sicherlich in einer damaligen Ausgabe des Landesverfassungsschutzbericht aufgeführt gewesen, als „linksextremistisch beeinflusstes Bündnis“. Wer sich heute Antifaschist nennt, kann gegenüber dem Verfassungsschutz nur eine Forderung vertreten: Die sofortige Auflösung dieser Behörde!

In einer Woche stehen die Bundestagswahlen an. Die Prognosen über die Ergebnisse der AfD gehen auseinander, viele Wähler scheinen noch unentschieden zu sein. Einig scheinen sich die Wahlforscher darüber zu sein, dass es die AfD in den Bundestag schaffen wird. Der Rechtsruck wird dann einen weiteren Schub erhalten und nationalistische, rassistische, sexistische und teils auch antisemitische Positionen werden vermehrt Normalisierung erfahren.

Mit dem Erfolg der AfD geht der Abstieg kleinerer, radikalerer Rechtsparteien einher. Die NPD, vor einigen Jahren noch unsere Hauptbeschäftigung, versinkt in der Bedeutungslosigkeit. Mit ganzen vier Parteimitgliedern sind sie vor einigen Wochen durch die Rhein-Neckar-Region getourt. Bei den Wahlen werden sie keine Chance haben. Das ganze rechte Wählerpotential sammelt sich hinter der AfD.

Doch wir sollten die Gefahren nicht unterschätzen, die von den offen auftretenden Faschist*innen und Nationalsozialist*innen ausgehen. Von den Erfolgen der AfD und dem gesellschaftlichen Rechtsruck profitieren langfristig auch die Nazis. Rassistische Parolen normalisieren sich, Nationalismus wird wieder hoffähig. Wenn sich die AfD irgendwann durch interne Streits selbst zerlegen sollte, stehen die Nazis bereit, die verbliebenen Anhänger abzuholen. Gerade bei der noch recht neuen Partei „Der III. Weg“, die auch aus der ehemaligen Kameradschaft „Aktionsbüro Rhein-Neckar“ entstanden ist, beobachten wir einen regen Aktivismus. Bei Wahlen werden sie aktuell keine Beachtung finden. Aber sie bauen ihre Strukturen aus, schulen ihre Mitglieder und etablieren eine rechte Subkultur, die sich eng am historischen Vorbild der SA orientiert. Sie sehen ihre Zeit noch nicht gekommen. Aber sie arbeiten daran, bereit zu sein, falls beispielsweise durch einen Zerfall der AfD oder der NPD eine Lücke frei wird, die sie nutzen können. Es gilt also, auch ganz rechts außen weiterhin zu beobachten und aufzuklären.
Stichwort: Aufklären. Die antifaschistische Bewegung im deutschsprachigen Raum hat vor wenigen Wochen einen schweren Schlag erlitten. Der Innenminister lies per Erlass im Rahmen eines fragwürdigen Konstrukts über das Vereinsrecht das Internetprojekt indymedia linksunten verbieten. Es war ein open posting Projekt, bei dem jede und jeder mitmachen und eigene Artikel einstellen konnte. Auch viele Mannheimer*innen haben linksunten genutzt, z.B. für Demoberichte, Aufrufe oder Rechercheartikel über die rechte Szene. Auch Berichte über die Lechleiter-Gedenkveranstaltung gab es jedes Jahr bei indymedia linksunten. Gerade die Möglichkeit, unkompliziert und anonym zu publizieren, war für Antifaschist*innen enorm wichtig. Kleines Beispiel: Der NPD-Anhänger Gregor Nebel, der bei der Stadt Mannheim als Erzieher in einem Kindergarten beschäftigt war, wurde nach einer Veröffentlichung bei indymedia linksunten gekündigt. Dort wurde genau aufgelistet, welche NPD Veranstaltungen er besucht hatte, wie er sich im Internet dargestellt hat und so weiter. Nachdem er alles abstritt und löschte, konnte man es bei indymedia linksunten nachlesen. Jetzt ist diese wichtige antifaschistische Informationsquelle durch die CDU-SPD Bundesregierung zerstört worden. Wir fordern daher die sofortige Einstellung der Verfahren gegen die drei Freiburger Genoss*innen, die als Verantwortliche für die Plattform herhalten sollten und die Rücknahme des Verbots von indymedia linksunten!
Wir fordern auch alle Anwesenden dazu auf, sich mit der Thematik G20 Gipfel in Hamburg kritisch auseinander zu setzen. Wurde wirklich die Demokratie von ein paar tausend Militanten und Riotkids theoretisch bedroht? Oder wurden nicht eher demokratische Standards unserer Gesellschaft durch einige zehntausend Polizist*innen, Geheimdienstler und Politiker*innen im Wahlkampf faktisch eingeschränkt? Auch diese Geschichte ist im Rahmen des gesellschaftlichen Rechtsrucks, der sich zur Zeit abspielt, zu betrachten.

Zum Abschluss möchten wir euch dazu aufrufen, am Samstag vor der Bundestagswahl mit uns gegen die AfD zu demonstrieren. Das Bündnis Mannheim gegen Rechts und die Gruppe Aufstehen gegen Rassismus rufen zur Demo für eine offene und bunte Gesellschaft auf. Da schließen wir uns natürlich an. Wir finden es richtig darauf hinzuweisen, dass es als politische Beteiligung nicht ausreicht, alle vier Jahre ein Kreuzchen zu machen. Antifaschistische Politik lebt davon, sich die Straße zu nehmen und in der Öffentlichkeit laut und deutlich den rechten zu widersprechen. Kommt daher am Samstag, den 23. September zur Demo „Keine Stimme der AfD“. Treffpunkt ist um 13 Uhr am Hauptbahnhof. Der Abschluss wird mit einem Kulturfest auf dem Alten Messplatz stattfinden.

Vielen Dank und bis dahin!

AK Antifa Mannheim, September 2017

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