Enough is enough! Für eine Gesellschaft ohne Rassismus, Ausbeutung und Unterdrückung

Aufruf des AK Antifa Mannheim zur Demo am 26.3.2011 in Mannheim, Treffpunkt 14 Uhr am Paradeplatz

Am 26. März 2011, einen Tag vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, gehen wir auf die Straße, um für eine Gesellschaft ohne Rassismus, Ausbeutung und Unterdrückung zu demonstrieren. Die Wahlen geben uns Anlass, uns gegen die NPD als Partei der Nazis zu kämpfen, aber auch unsere Vorstellungen von einer Gesellschaft jenseits von Staat, Nation und Kapitalismus deutlich zu machen. Wenn Wahlkämpfe in den Monaten vor den Wahlen nämlich stets zum Podium für allerlei rassistische und sozialchauvinistische Parolen werden, dann weil sie einen rassistischen Normalzustand zum Ausgangspunkt haben. Die Hetze der NPD ist hierbei nur die Spitze des Eisberges.

Die NPD: rassistisch, nationalistisch und antisemitisch
Mehr als alle anderen Parteien treibt die NPD vor allem der Rassismus an. Getrieben vom Wahn der „Volksgemeinschaft“, einem biologistisch-rassistischen Konstrukt, versuchen die Nazis die Gesellschaft zu spalten: in deutsch und nicht-deutsch, in nützlich und unnütz und in letzter Konsequenz in lebenswert und lebensunwert. Dabei kommen zahlreiche Ideologiefragmente zusammen. Führerkult, Nationalismus und Antisemitismus dienen als Instrumente zur Welterklärung und als Legitimation für Terror und Gewalt gegen alle, die von den Nazis als „volksfeindlich“ ausgemacht werden.
NPD-Politikerinnen und -Politiker [1] geben sich oft bieder und angepasst, sie versuchen ihre Propaganda an aktuelle gesellschaftliche Themen anzupassen. So kommt es in letzter Zeit vermehrt zu populistischer Hetze gegen Muslime oder zu sozialen Wahlversprechen, die bei näherer Betrachtung einen großen Teil der Bevölkerung ausschließen und die persönlichen Freiheiten der Menschen unter die „Volksgemeinschaft“ unterwerfen sollen, ganz im Sinne des Nazi-Mottos „Du bist nichts, dein Volk ist alles“. Zur Landtagswahl in Baden-Württemberg will sich die NPD als „Stimme des Volkes“ positionieren. Was sie darunter versteht wird in ihrem Landtagswahlprogramm deutlich: Neben Jugend- und Familienpolitik finden sich dort Parolen wie „Deutschland den Deutschen“ oder „Integration ist Völkermord“.
Mit dieser Ausrichtung stellt sich die NPD in eine historische Tradition. Jede_r kann sich die Vorstellungen eines Nazi-Deutschlands in den Geschichtsbüchern ansehen: Verhaftung und Ermordung der politischen Gegner_innen, Homosexuellen, Sinti und Roma, geistig und körperlich Behinderten, sogenannten Bibelforschern und „Asozialen“, Ausbeutung in den Betrieben, Zwangsarbeit, der Beginn des zweiten Weltkrieges und letztlich die Shoah, der sechs Millionen Jüd_innen zum Opfer fielen, zeigen das wahre Gesicht nationalsozialistischer Propaganda. Eine Stimme für die NPD ist kein „Denkzettel“, sondern muss als klares Bekenntnis zum Nationalsozialismus verstanden werden.
Der Aufstieg der Nationalsozialisten und Nationalsozialistinnen bis zur Übergabe der Regierungsgeschäfte an Hitler 1933 geschah in wenigen Jahren und eine breite gesellschaftliche Mehrheit hatte die NSDAP gewählt. Doch die Nazis wären nicht ohne die Unterstützung zahlreicher Großkonzerne, anderer gesellschaftlicher Eliten und insbesondere des deutschen Kleinbürgertums zum Erfolg gekommen. Der Nationalsozialismus war weder das Instrument des Kapitals, noch der Alleingang einiger Durchgeknallter. Vielmehr wurden die Nazis für das gewählt, wofür sie standen: für ihre sozialen Versprechungen, für ihre aggressive und rassistische Außenpolitik, für ihren Antisemitismus. Die Wähler_innen erhofften Vorteile für sich, durch die Ausgrenzung und letztlich Vernichtung der vermeintlich anderen. Der deutsche Kleinbürger sah seine traditionellen Werte vertreten, die Großkonzerne witterten fette Profite in den Kriegsvorbereitungen, die rassistische Arbeiterin sah ihren Arbeitsplatz als gesichert, wenn die jüdische Kollegin gefeuert werde und der Militarist freute sich, es den Franzosen endlich mal wieder zu zeigen.
Sehen wir uns heutige Gesellschaftsstudien an, müssen wir feststellen, dass die faschistische Gefahr mitnichten gebannt ist. Vor allem die Angst vor „Fremden“ und „Anderen“ oder das Delegieren von Problemen an irgendwelche Obrigkeiten und Autoritäten sind mehrheitsfähige Positionen in der kapitalistischen Demokratie des Jahres 2011. Wenn solche Einstellungen in der Gesellschaft vertreten werden, dann finden sich auch Parteien, die entsprechende Wahlversprechen abgeben – wer hier nur an die NPD denkt, verkennt das rechte Potential anderer Parteien. Hier sei nur an die faktische Abschaffung des Asylrechtes 1993 erinnert, befördert durch rassistische Stimmungen und Ausschreitungen.
Für uns zeigt sich deshalb, dass es nicht ausreicht, diejenigen zu bekämpfen, die sich offen zum Nationalsozialismus bekennen. Vielmehr muss sich das gesellschaftliche Klima wandeln, in welchem Rassismus, Antisemitismus und Konkurrenzdenken gedeihen. Eine Gesellschaft, in der kapitalistische Produktionsweisen abgeschafft und Nationalstaaten überflüssig sind, ist letztlich die einzige Möglichkeit, faschistischem Denken den Nährboden zu entziehen.

Extremismusquatsch und Bekenntniszwänge
Wenn menschenfeindliche Positionen also durchaus mehrheitsfähig sind, ist es grundsätzlich falsch, die „Gefahren für die Demokratie“ an den angeblich äußeren Rändern der Gesellschaft zu verorten. Dass gerade die „Mitte“ der Gesellschaft von rassistischen Vorurteilen und Einstellungen geprägt ist und so ein rassistisches Klima hervorbringt, wird bis heute mit Hilfe der Extremismustheorie vernebelt. Diese geht zurück auf die Politikwissenschaftler Uwe Backes und Eckhard Jesse, welche mit einem Hufeisenmodell das politische Spektrum der Gesellschaft unterteilen: Die Enden des Hufeisens sollen dabei extremistische linke und rechte Ränder der Gesellschaft darstellen, die von einer „demokratischen Mitte“ abweichen und sie bedrohen. Rassistische und antisemitische Vorurteile, die sich durch alle gesellschaftlichen Schichten und politischen Lager ziehen, werden so gänzlich ausgeblendet.
Ausdruck findet die Extremismustheorie beispielsweise in der Politik der CDU-Familienministerin Kristina Schröder, die das Ausschreiben von Projekten zur Prävention von Linksextremismus veranlasste. Immer häufiger werden zudem antifaschistisch und antirassistisch arbeitende Projekte, Initiativen und Gruppen mit der Forderung konfrontiert, „Antiextremismuserklärungen“ zu unterzeichnen um Fördergelder zu erhalten. Auch hier soll das Abweichen von der angeblich einzig ungefährlichen sogenannten demokratischen Mitte mit aller Härte bekämpft und eine grundsätzliche Diffamierung linker Politik in der Öffentlichkeit bewirkt werden.

Rechts ist, wo die Mitte ist
Den selbsternannten Verteidiger_innen der Demokratie geht es also mitnichten darum, menschenverachtende Inhalte zurückzudrängen. Diese nämlich produzieren und reproduzieren sie ständig aufs Neue selbst. Die sich als „gute Demokrat_innen“ empfindende „Mitte“ ist weit davon entfernt, den Rassismus als ein wichtiges ideologisches Fragment der Nazis zu bekämpfen. Wenn auch in toleranten Sonntagsreden nach offensichtlichen und (nicht-staatlichen) rassistischen Gewaltakten Antirassismus propagiert wird, wird diesem weder die politische Elite noch die erdachte gesellschaftliche Mitte gerecht.
Die Debatte um Thilo Sarrazin zeigt: Kritisiert werden im besten Fall seine biologistischen Aussetzer, nicht aber seine Vorstellung einer nahezu homogenen „deutschen“ Gesellschaft. Deshalb ist nicht erstaunlich, in welche Richtung sich die Debatte um die Sarrazinschen „Argumente“ entwickelt hat. Gefordert wird seit letztem Herbst mal wieder die notwendige Unterordnung unter eine herbei halluzinierte deutsche Leitkultur. Was genau diese Leitkultur allerdings ist, wird niemals definiert. Auf jeden Fall ist sie keine Verteidigung allgemeiner und universaler emanzipatorischer Prinzipien, sondern eine Vorstellung kultureller Einheit, die so nicht vorhanden ist. Eine Funktion hat diese Vorstellung dennoch: Sie soll die Menschen für die Aufrechterhaltung und Stabilisierung der bestehenden Ordnung dazu motivieren, eigene Bedürfnisse zurückzustellen, Ansprüche zu reduzieren und den Gürtel für die Nation enger zu schnallen.
Der neue Clou ist nun die Entdeckung der sogenannten „bedarfsorientierten Einwanderungspolitik“. Hierzu schlägt die schwarz-gelbe Regierung ein Punktesystem vor: Für Bildung, Kenntnisse der Sprache und nach Arbeitsmarktanforderungen werden credits vergeben, deren Summe darüber entscheidet, wer bleiben darf und wer nicht. Migrant_innen werden so nach ökonomischer Nützlichkeit selektiert. Auch wenn die CDU hier mit besonders scheußlichen Aussagen und Hetze gegen „Integrationsverweigerer“ auffällt, ist eine solche Selektion über Parteigrenzen hinweg Konsens. Die als „unnütz“ kategorisierten Migrant_innen bekommen die Härte der diskriminierenden Ausländergesetze, der Abschiebepraxis und der gesellschaftlichen Ausgrenzung im besonderen Maße zu spüren.
Wichtige Organe des staatlichen Rassismus sind die Ausländerbehörden, die die Verwaltung der gewollten und die Abschiebung der ungewollten Migrant_innen organisieren. Bei gewaltsamen Ausweisungen erfahren Menschen direkte körperliche Gewalt, nicht selten erwartet sie in den Zielstaaten Diskriminierung, Verfolgung und Folter bis hin zum Tod. Oft geht diesen Qualen noch eine Gefangenschaft im Abschiebeknast voraus. In den Abschiebeknästen, wie beispielsweise in Mannheim-Herzogenried, werden Menschen bis zu 18 Monate eingesperrt, deren einziges Vergehen es war, sich ohne deutschen Pass unerlaubt auf „deutschem Boden“ aufgehalten zu haben. Die Zwangsunterbringung in Sammelunterkünften, die oft in katastrophalen Zuständen sind, führt zu gesellschaftlicher Isolation und soll abschreckend wirken.

This is what democracy looks like…
Doch nicht nur gegenüber Migrant_innen zeigt der deutsche Staat seine Krallen. Gerade linke Aktivist_innen geraten immer wieder ins Visier der staatlichen Repressionsorgane. So hat etwa im Jahr 2010 ein LKA-Spitzel unter dem Decknamen „Simon Brenner“ über neun Monate hinweg linke Strukturen in Heidelberg ausspioniert. Ziel seines Einsatzes war es, ein umfassendes Szeneprofil zu erstellen und insbesondere einen Einblick in die Arbeit der Antifaschistischen Initiative Heidelberg zu bekommen. Neben der permanenten Bespitzelung sorgte er dabei auch für eine Hausdurchsuchung bei einem linken Studenten.
Auch in Mannheim haben wir mit der staatlichen Repression zu kämpfen. Nachdem im August 2010 eine Kundgebung gegen den NPD Funktionär Christian Hehl in den S-Quadraten von der Polizei sabotiert und angegriffen wurde, stand Anfang diesen Jahres ein Antifaschist vor Gericht, dem die Beleidigung von Polizeibeamten vorgeworfen wurde. Mit einem völlig konstruierten Vorwurf und der zweifelhaften Aussage eines Staatsschutzbeamten wurde er zu einer Geldstrafe von 750 Euro verurteilt. Damit soll offenbar versucht werden, antifaschistisches Engagement zu kriminalisieren und antifaschistisch engagierte Menschen einzuschüchtern. Hinter dieser Vorgehensweise steckt das Ziel, den Widerstand gegen unzumutbare Lebensbedingungen klein zu halten und so optimale Verwertungsbedingungen für das Kapital zu organisieren.

Staat, Regierung und Wahlspektakel
Der bürgerliche Staat ist also (anders als wir das im Gemeinschaftskundeunterricht gehört haben) kein Garant für das gute Leben oder auch nur die Gleichheit seiner „Bürger“. Zwar stellt er diese vor dem Gesetz gleich, sorgt aber gleichzeitig (indem er das Privateigentum schützt) für den Bestand der Ungleichheit zwischen den Menschen. Wer keine anderen Mittel zur Verfügung hat, muss seine Arbeitskraft verkaufen, um das Überleben zu sichern. Dem Staat ist im Kapitalismus (schon allein, weil er auf Steuern angewiesen ist) nicht an guten Lebensbedingungen für alle, sondern ebenso wie den Kapitalist_innen an Profitmaximierung gelegen. Der Weg zur befreiten Gesellschaft wird nicht durch eine „Übernahme“, sondern erst durch die Abschaffung des Staates möglich!
Wenn wir als Kommunist_innen [2] zur Landtagswahl 2011 in Baden-Württemberg den Wahlkampf rechter Parteien stören, dann, um das Schlimmste zu verhindern und nicht, weil wir eine „bessere“ Regierung wollen. Auch wenn sich durch Wahlen „im Kleinen“ reale Verbesserungen für die Menschen ergeben können, bleibt der Kapitalismus als das „große Ganze“ dabei unberührt. Wahlen haben im Kapitalismus die Funktion, soziale Konflikte zu institutionalisieren, im System zu halten und auf die Stimmabgabe zu begrenzen. Dem werden wir uns nicht beugen. Statt auf Wahlen, setzen wir auf die Vergesellschaftung der Produktionsmittel und einen revolutionären Transformationsprozess.

Unsere Antwort: Widerstand
Dabei beschränken wir unseren Widerstand keineswegs auf die uns vorgeschriebenen Mittel. Unsere Aktionsformen messen sich nicht daran, was gesetzlich erlaubt ist, sondern daran, was wir für legitim erachten. Wir lassen uns bei der Wahl unser Widerstandsformen nicht von Versammlungsgesetzen, Polizeiaufmärschen oder anderen Zumutungen einschränken. Wir erkennen den Staat und sein ‚Gewaltmonopol‘ nicht an, da dieser nicht dem guten Leben aller, sondern der Herstellung optimaler Verwertungsbedingungen dient und eine Veränderung der herrschenden Zwangsverhältnisse gewaltsam unterbindet. Wir rufen nicht nur zum Widerstand gegen Nazis und Rassismus auf, sondern auch gegen die anhaltenden Angriffe auf unsere Lebensbedingungen.

Kommt zur Demo am 26.3.2011 in Mannheim, Treffpunkt 14 Uhr am Paradeplatz

 


[1] Die Endung „ _innen“ bei generellen Beschreibungen verweist auf das Einbeziehen aller Beteiligten (Frauen, Männer, Transgenderpersonen) und zeigt gleichzeitig, dass die bis heute gängige patriarchale Verwendung von Sprache ungenügend ist, um gesellschaftliche Verhältnisse auszudrücken. Bei reaktionären Gruppen, die sich in ihrer Ideologie explizit auf Zweigeschlechtlichkeit beziehen, nutzen wir die Schreibweise „_innen“ nicht.

[2] Mit dem Begriff „Kommunismus“ bezeichnen wir unsere Vorstellung von einer klassenlosen, herrschaftsfreien Gesellschaft jenseits von Staat, Nation und Kapitalismus. Damit grenzen wir uns von den historischen und gegenwärtigen realsozialistischen Fehlschlägen ab, die sich durch besonders autoritäre Regime kennzeichnen.

 

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